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Lisa Hotwagner im Gespräch
 
       
       
Lisa Hotwagner

Ö3-Wecker-Moderatorin

Kultur
14.07.2020
Lisa Hotwagner wurde 1988 im burgenländischen Oberwart geboren. Nach erfolgreich abgeschlossenem Medienmanagement-Studium startete sie ihre Radiokarriere bei HiT FM, wechselte zu Radio Energy und schaffte 2010 den Sprung zu Ö3 – mit nur 22 Jahren. Ein Jahr später wechselte sie intern zum Ö3-Wecker, dem reichweitenstärksten Radioformat Österreichs.

Muss man als Morgen-Moderatorin im Radio immer gut drauf sein? Wieso nicht einfach mal eine Sendung beginnen mit: »Ich hab schlecht geschlafen, hatte meinen Morgenkaffee noch nicht, bin im Stau gestanden, und ihr nervt mich alle! Daher jetzt mal eine Stunde nur Musik«?

Jein. Grundsätzlich bin ich ja mal keine Schauspielerin. Daher schwingt das natürlich manchmal mit. Es ist immer komisch, wenn ich gekünstelt versuche, für alle anderen gute Stimmung zu machen, obwohl ich sie selber nicht habe. Der große Vorteil an der Früh ist allerdings, dass du ein Team hast. Ich gehe auch nicht gleich, sobald ich reinkomme, »on air« um fünf Uhr früh. Ich bin spätestens um halb fünf da und um dreiviertel fünf haben wir die erste Sitzung, um die Nachrichten abzugleichen. Da hast du Menschen um dich herum, die eine Art zweite Familie sind. Eine Arbeitsfamilie. Die fangen dich dann schon auf.

Die kann man dann also einfach mal anschnauzen, damit es das Publikum nicht abbekommt?

(lacht) Ja, natürlich. So wie du halt auch mal deinen Partner anschnauzt oder deine Schwester oder deinen Bruder. Das wird dir auch bei deinem Kind passieren. Aber es wäre ja ein verrückter Anspruch an sich selbst, andauernd gut drauf zu sein! Ich mach den »Wecker« nicht nur Montag und Donnerstag, sondern Montag bis Freitag. Und jeder, der regelmäßig früh aufstehen muss, kennt das. Steh mal jeden Tag um 3:20 Uhr auf. Dann unterhalten wir uns weiter, wie es dir mit dem früh Aufstehen geht. Erst dann merkst du, was das gesundheitlich und stimmungstechnisch mit dir macht. Natürlich bist du da nicht immer gut drauf. Natürlich nervt dich das dann manchmal. Aber keiner der rund neun Millionen Österreicherinnen und Österreicher da draußen hat es verdient, aufzustehen mit einer, die grantig ist. Keiner kann was dafür, wenn ich einen schlechteren Tag habe. Es ist letztendlich mein Job, Menschen gut in den Tag zu begleiten. Und nicht, sie an meiner Raunzerei teilhaben zu lassen.

Was wir schon haben, ist die »5er-Stunde«. Das ist die Uhrzeit zwischen fünf und sechs Uhr. Da wissen wir, dass noch nicht so viele Menschen wach sind. Der Höhepunkt ist dann so gegen sieben Uhr. Ganz in der Früh kann man also schon auch mal sagen, dass ich heute mal müde bin oder das Wetter komisch ist oder ich noch einen doppelten Espresso brauche, weil ich das sonst nicht schaffe. Aber dann sollte man sich schon am Riemen reißen.
Ö3-Moderatorin Lisa Hotwagner im Interview

Die Schauspielerin Nina Proll hat vor Kurzem über diverse Printmedien und Instagram gefragt, mit wem sie eigentlich schlafen müsse, damit ihre Musik auf österreichischen Radiosendern gespielt werde. Wie lautet die Antwort?

Ich hoffe, niemand muss in diesem Land mit irgendjemandem schlafen, um beruflich dort hinzukommen, wo er oder sie hinmöchte. Das wäre echt eine traurige Vorstellung von Österreich. Ich bin auch überzeugt davon, dass es nicht so ist. Das wäre mir zumindest – und dafür lege ich meine Hand ins Feuer – noch nirgendwo untergekommen.

Zur Musikauswahl: Ich bin nicht in der Musikredaktion, ich bin Moderatorin. Das bedeutet, ich bin für den redaktionellen Inhalt meiner Sendung zuständig. Für den musikalischen Inhalt ist die Musikredaktion von Ö3 zuständig. Das sind Expertinnen und Experten, die sich echt gut auskennen, was gerade Trend im Land ist. Was gerade gut funktioniert und auch was kommt. Die haben wöchentlich eine Sitzung, in der sie neue Songs in der Runde vorspielen. Da wird dann entschieden, welcher Song zu Ö3 passt. Das heißt aber nicht, dass es ein schlechter Song ist, nur weil er nicht auf Ö3 gespielt wird – überhaupt nicht! Aber er passt halt vielleicht nicht in die Ö3-Playlist. Oder er passt nicht zu dem Mix, den wir erzeugen wollen. Weil wir gerade etwas jünger oder poppiger sein wollen, als es der vorgeschlagenen Song ist. Die entscheiden das, und zu 99 % vertraue ich denen. Und in dem einen letzten Prozent schicke ich ihnen manchmal einen Song und frage, warum wir den bitte schön denn nicht spielen?! (lacht) Manchmal sagen sie »Das stimmt, jetzt, wo du es sagst, denken wir nochmals darüber nach« und manchmal sagen sie »Nein, Lisa, tut uns leid, das haben wir besprochen und das eben passt gerade nicht«.

Aber woher kommt dann die immer wieder – zumindest subjektiv wahrgenommene – Diskussion darüber, dass zu wenig österreichische Musik auf österreichischen Radiosendern gespielt wird oder dass es eine Österreich-Quote braucht?

Die gibt es und die haben wir auch bei Ö3. Die ist auch gar nicht so schwer umzusetzen. Ich finde, dass wir wahnsinnig gute österreichische Musiker haben. Wir spielen Folkshilfe, wir spielen Mathea, wir spielen Pizzera und Jaus, wir spielen Lemo – das sind alle Österreicher, die »Mainstream«-Pop machen, den wir als »Mainstream«-Radio spielen. Vielleicht werden manche Songs, beispielsweise von Avec, auch nicht als österreichisch erkannt, weil sie halt englisch gesungen werden. Am Montag und Dienstag ab 22 Uhr haben wir zum Beispiel ein schönes Österreich-Format, die »Treffpunkt Österreich Konzertbühne«, in dem der Österreich-Anteil auch deutlich höher ist als beispielsweise im Ö3-Wecker. Kritiker, die etwas suchen, werden immer etwas finden. Wir wissen auch, dass, wenn sich etwas im Programm tut, es eine Anlaufzeit benötigt, bis das bemerkt wird. Das betrifft neue Stimmen, also neue Moderatorinnen und Moderatoren. Das betrifft neue Sendungen. Das betrifft aber auch einen neuen Musik-Mix. Bis dann diese Grundeinstellung von »Ah, die spielen das ja eh nicht!« eine andere wird, dauert es. Von daher: Schickt uns eure Songs! Niemand von uns wehrt sich gegen einen sehr guten – österreichischen – Song, der ins Konzept passt.

Wenn Lisa Hotwagner die Generaldirektorin des ORF wäre, was würde auf ihrer Agenda stehen?

Das kann ich wirklich nicht beantworten. Mein Leben ist momentan privat von meiner kleinen Tochter getrieben. Das ist aktuell die größte Herausforderung, die ich meistern muss – jeden Tag! Ich freue mich, dass ich es überhaupt schaffe, in der Früh die Wecker-Dienste zu machen. Und da bin ich schon oft an meinen Grenzen. Ich habe damit momentan einfach nicht die Muße, die ich sonst vielleicht schon hätte, mich mit einem Kaffee hinzusetzen und zu überlegen, was ich nicht gerne alles wie machen würde, noch dazu als Generaldirektorin. Momentan ist es ein Kampf ums Überleben – arbeiten und Mutter sein unter einen Hut zu bekommen.

Als Radiomoderatorin wird man heutzutage wahrscheinlich immer noch stärker an der Stimme als am Gesicht erkannt. Wie darf man sich das vorstellen, wenn man, beispielsweise beim Einkaufen, zu sprechen beginnt und erkannt wird?

Hm. Im Privatleben rede ich doch mehr im Dialekt als auf Sendung. Es ist also eher selten, dass mich jemand nur an der Stimme erkennt. Sie merken vielleicht, dass ich etwas beruflich mit meiner Stimme mache. Aber generell sind Menschen eher visuelle Typen. Wenn sie dich also nicht vom Bild aus dem Fernseher kennen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie dich nur anhand der Stimme erkennen, äußerst gering. Was ich schon merke, ist, dass der Name bekannt ist. Beispielsweise bei Arztterminen. Da werde ich dann schon gefragt, ob ich »die« kenne oder mit »der« was zu tun habe oder es sogar bin. Aber das ist wirklich der Name und nicht die Stimme.

Das erinnert mich an eine Aussage von Harald Schmidt, der einmal meinte, dass es schon ganz angenehm sein kann, wenn man aufgrund des Namens einen früheren Arzttermin bekommt.

Das wäre mir äußerst unangenehm. Ich glaube, ich habe bisher einmal eine Beschwerde von der ORF-Mail-Adresse weggeschickt in der Hoffnung, dass das dann schneller bearbeitet wird. Ist’s aber eh nicht. (lacht)

Ich finde es ehrlich gesagt auch wahnsinnig peinlich, wenn das jemand ausnützt. Also wenn sich jemand durch seinen oder ihren Beruf als jemand Besseres fühlt. Ich war ja zu meiner Anfangszeit, in der Studienzeit, Backstage-Guide im ORF-Zentrum am Küniglberg. Da habe ich bei externen Gästen, österreichischen Promis, teilweise schon beobachtet, dass sie sich sehr viel auf ihren Namen einbilden. Man MUSS sie NATÜRLICH erkennen und wissen, woher sie kommen und was sie nicht alles gemacht haben. Das war mir damals schon wahnsinnig unangenehm.

Als eine Art des Fremdschämens?

Genau! Jeder von uns hat mit seinem eigenen Leben so viel zu tun. Manche Promis kommen dir eben unter, weil du sie toll oder eben nicht toll findest. Weil sie polarisieren, weil sie etwas getan, gesagt oder gemacht haben, wie beispielsweise einen Film, der dich anspricht. Dann findest du sie toll. Aber alleine aufgrund der Berühmtheit zu erwarten, dass dich jeder Mensch auf der Straße erkennt? Das finde ich peinlich.
Lisa Hotwagner im Interview

Im Interview mit der Schriftstellerin Cornelia Travnicek wurde darüber gesprochen, dass es zu einer Schieflage kommen kann, wenn man berühmte Persönlichkeiten oder sogar seine Idole trifft, weil sie womöglich komplett anders sind als gedacht. Hattest du solche Erfahrungen auch schon mit Musikern oder Bands, auf die du dich gefreut hast, und nachdem sie bei dir im Studio waren, dachtest du dir »Puh …« aufgrund der Ernüchterung?

Wird schon ein- oder zweimal so gewesen sein. Wäre jetzt aber doch sehr ungut, den Personen gegenüber, Namen zu nennen. (grinst) Aber ja, natürlich! Das ist wie bei einer Buchverfilmung. Du bist großer Fan vom geschriebenen Wort und dann siehst du den Film und denkst dir: »Das habe ich mir aber ganz anders vorgestellt.« Genauso ist es mit Menschen, die beruflich sehr lustig sind und damit Geld verdienen. Gewisse Comedians sind oft sehr introvertierte Menschen, die einfach viel beobachten und das dann für ihre Auftritte verwenden. Sie dann privat zu treffen und zu merken, dass der dann gar nicht auf meine Schmähs anspringt, ist natürlich schade, weil man sich dachte, jetzt Schmäh führen zu können. Oder, wenn man sich dann halt einfach nicht riechen kann. Übers Fernsehen riecht man sich nicht. Und dann steht man auf einmal neben der Person und denkt sich: »Hmmm … nein, der Funke ist jetzt aber nicht übergesprungen.« Also ja, das kenne ich schon.

Und umgekehrt …

… dass mich die Leute nicht mögen? Sicher! (lacht)

Eher so gemeint, dass man vielleicht Personen trifft, deren Überzeugungen nicht den eigenen entsprechen, die dann aber der Person wegen so sympathisch waren, dass du deine Meinung über sie geändert hast? Bei Politikern zum Beispiel.

Auch das ist passiert. Gerade bei Politikerinnen oder Politikern, die mich aufgrund ihrer politischen Ausrichtung nicht angesprochen haben, oder auch ihres Typs wegen nicht. In »off air«-Situationen, also als das Mikrofon aus war und wir uns einfach so unterhalten haben, dachte ich mir schon manchmal: »Schade, dass das sonst nicht rüberkommt. Schade, dass man das sonst nie hört.« Da bin ich dann sicher mit einem anderen, positiveren Bild rausgegangen. Oder habe zumindest verstanden, warum manche Menschen sie so wahnsinnig charismatisch finden.

Mit welchen Stars und Sternchen bist du auf »Du und Du«?

Es ist grundsätzlich schwierig, mit Musikern befreundet zu sein, aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses. Du gibst mir etwas, ich gebe dir etwas. Eine Plattform gegen einen guten Inhalt. Wenn man zu gut befreundet ist, wird es immer schwer, rational zu entscheiden, ob das jetzt gut oder schlecht war. Kann das jetzt gesendet werden oder kann das nicht gesendet werden? Deinem Freund sagst du nicht so leicht, dass das schlecht war und daher nicht gesendet wird. Oder dass die Geschichte langweilig war oder jemand auf 30 Sekunden runtergekürzt wird. Aber natürlich gibt es auch Sänger, bei denen der Funke übergesprungen ist. Die ich auch einfach cool finde und bei denen ich die Musik auch sehr mag. Aber dass ich mit ihnen auf ein Bier gehe, passiert sehr selten. Einerseits aus journalistischer Distanz. Andererseits sind die viel auf Tour und ich habe wenig Zeit. Früh aufstehen, Kleinkind und so.
»Ich habe das Gefühl, nie genug zu sein«

Du warst mit bereits 22 Jahren im Ö3-Wecker-Team, bist also sehr früh im österreichischen Radio-Olymp angekommen. Gerade als Jugendliche will man die Welt erobern, zeigen, was man kann, und fühlt sich bei Erfolg in seinem Überflieger-Dasein bestätigt. Auf wie vielen Metern Seehöhe ist dein Ego damals geflogen?

Ich habe, glaube ich, eher das Problem, das viele Frauen haben. Das Gefühl, nie genug zu sein. Nie gut genug zu sein. Sich selbst kleinmachen. Ich habe in den ersten zwei Jahren nach jeder Sendung das Gefühl gehabt, dass das eine schlechte Sendung war. Ich habe die Sendung zu wenig gut gemacht und ich habe schlecht moderiert. Ich hatte das Gefühl, für jedes Wort, das ich sage, verurteilt werden zu können. Gemocht oder nicht gemocht zu werden, aufgrund eines einzelnen Wortes. Für alles, was du sagst, Angriffsfläche zu bieten, obwohl du es in den seltensten Fällen böse meinst. Manchmal rutscht dir halt was Unbedachtes raus. Aber dass du jemanden verletzten möchtest oder Zorn auf dich ziehen möchtest – bei Gott, niemals! Es war dieses Gefühl von »Ich laufe zwar schnell, ich laufe aber nie schnell genug«. Das war eher das Problem.

Ich versuche heute noch, meinen Beruf so lange wie möglich bei einem Kennenlernen hinauszuzögern. Wenn du schon weißt »Ah, das ist die Lisa Hotwagner vom Ö3-Wecker«, ist das schon etwas anders als »Ah, das ist die 1,80 Meter große Nachbarin, die immer ›Onesies‹ trägt«. Man soll mich erst einmal kennenlernen bei einem Wein, einem Bier, einem Gin, und dann tauschen wir uns aus, wie wir die Welt sehen. Denn sobald ich sage, was ich mache, haben die meisten Menschen schon ein sehr vorgefertigtes Bild von mir. Manchmal sind das dann auch so Fan-Momente, wo ich dann einfach gefragt werde, wie der Kratky so ist. Was ja auch verständlich ist. Wäre umgekehrt wahrscheinlich nicht anders. Aber neue Freunde zu finden, die dich nur als Ö3-Moderatorin kennen, ist nicht leicht. Oder auch einen Partner zu finden. Als ich meinen Mann kennengelernt habe, war ich mit zwei anderen Ö3-Moderatorinnen unterwegs. Ich habe so lange wie möglich probiert rauszuzögern, dass ich beim Ö3-Wecker arbeite. Ich dachte mir, dass mir der einfach so gut gefällt, dass ich mich einfach so gerne mit ihm unterhalten will, ohne zu sagen, dass ich auch in der Ö3-Clique bin. Irgendwann kommt es ja dann eh raus. Im Nachhinein hat er mir gesagt, dass ihn das total beeindruckt hat, dass ich nicht auf die große Bühne gegangen bin und gesagt habe: »Da stehe ich, sieh mich an, ich bin die aus der größten Morning-Show des Landes!« (lacht) Es ist ein wahnsinnig cooler Beruf, und ich bin wahnsinnig stolz darauf, aber ich möchte nicht darüber definiert werden.
»Seit der Geburt meiner Tochter bin ich eine Superheldin«

Du feierst heuer dein zehnjähriges Ö3-Jubiläum. Wie hat sich dein Ö3-Dasein über die Zeit verändert und ist es nach einem Jahrzehnt Zeit, über neue Wege in der Karriere nachzudenken?

Die letzten zwei Jahre habe ich mich sicherlich am allermeisten verändert. Durch die Flora, meine kleine Tochter. Durch das Mutterwerden. Ich war nie eine dieser Frauen, die sagen, dass das Mutterwerden jetzt die Erfüllung für mich sein wird und erst dann habe ich im Leben das erreicht, was ich erreichen wollte. Überhaupt nicht, auch wenn ich mir immer Kinder gewünscht habe. Mit dem Moment, meine Tochter zu bekommen, war das ein extremer Stärkeschub an Selbstbewusstsein für mich. Ich habe mich gefühlt wie eine Superheldin. Seit der Geburt meiner Tochter bin ich eine Superheldin! Meine Superheldenkraft war es, einen neuen Menschen zur Welt zu bringen. Das ist die schönste Bestätigung – egal ob privat oder beruflich –, die ich bisher in meinem Leben bekommen habe. Als ich sechs Monate nach der Geburt wieder mit der Arbeit begonnen habe, bin ich reingekommen voller Stolz. Ich habe so viel erlebt in den sechs Monaten, dass ich mir dachte, dass mir hier nichts mehr passieren kann. Ich habe so viele Nächte durchgemacht, so viele Schwierigkeiten erlebt und so viel geschafft. Was soll hier denn groß passieren, was ich nicht auch schaffen könnte. Das hat mich sicherlich am allermeisten verändert. Mein Kind zu bekommen, die Schwierigkeiten am Anfang, ein Verzweifeln und wieder aufstehen und mit der Arbeit zu beginnen. Mit meinem Mann zusammengeschweißt zu werden. Und jetzt stehe ich da im Studio. Manchmal ist die Laune schlecht. Der Robert Kratky ist eine starke Persönlichkeit, witzig und gescheit. Aber auch jemand, mit dem man auskommen muss, weil er genaue Vorstellungen hat. Mit 90 % seiner Kritik hat er auch recht. Er ist ein wirklich toller Radiomacher. Wenn es ab und an Unstimmigkeiten gibt, denke ich mir: »Nichts kann so schlimm sein wie das erste halbe Jahr als frisch gebackene Mama.« (lacht)

Bezüglich Karriere: Bei Ö3 passt es. Es ist kein statischer Beruf. Es ist zwar dasselbe Handwerk jeden Tag, aber du machst als Tischler ja auch nicht jeden Tag einen Sessel. Die machen einen Tisch, dann machen s’ ein schönes Bett und wieder ein andermal eine Holzverkleidung für eine Uhr. Und wir machen auch jeden Tag etwas anderes. Wir können unsere Kreativität durch unterschiedliche Spiele oder Rubriken anders ausleben. Was gleich bleibt, ist, mit Sprache zu unterhalten und zu informieren. Aber wie du sprichst, das verändert sich. Ob du »Flüchtlinge« oder »Heimatsuchende« sagst, macht etwas mit den Menschen. Du kannst dich jedes Mal neu entscheiden. Daher ist es nach zehn Jahren auch nicht langweilig. Und familiär lässt es sich aktuell auch am besten vereinen. Ich bin nicht in Teilzeit und habe dennoch den Nachmittag Zeit für meine Familie.

Hat Lisa Hotwagner Vorbilder?

Hm, nein. Ich tu mir schwer, Idole, die im Rampenlicht stehen, herzunehmen und zu sagen: »So möchte ich sein.« Wenn ich an Leute wie Robin Williams denke, die so glücklich und lustig wirken und erfolgreich sind – und in Wahrheit einfach traurig sind. Aber natürlich gibt es viele Menschen, bei denen ich mir denke, dass ich das oder das gerne auch können würde. Da gehört Robert Kratky dazu. Ellen DeGeneres kann so schön erzählen und so gut mitreißen, kann so schön persönlich sein. Oder eine Meryl Streep, die so facettenreich ist. Vorbilder habe ich aber dennoch eher keine. Es sind eher Menschen, die Schicksale gemeistert haben. Damit meine ich aber nicht unbedingt negative Schicksale. Aber Menschen, die hinter die Fassade des Lebens schauen. Die finde ich spannend.

Wenn es darum geht, immer da zu sein, habe ich meinen Papa als Vorbild. Ich kann meinen Papa zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen. Der wird sein Handy auch immer laut eingestellt haben, wenn er weiß, dass es gerade eine heikle Situation gibt. Der wird mir immer helfen, soweit er kann. Das ist für mich vorbildlich. Ich werde meine Mama immer als Vorbild haben, weil sie es schafft, in schwierigen Situationen immer die gute Seite zu sehen und die Leichtigkeit reinzubringen. Das kann sie total gut! Und den Otto Waalkes werde ich auch immer als Vorbild haben, weil er die blödesten Schmähs wirklich gut rüberbringen kann, in einer Authentizität und Sympathie, obwohl er Ostfriese ist. (lacht)

Zum Abschluss einen Rückblick auf den Anfang unseres Gesprächs: Wenn das Interview heute umgedreht stattgefunden hätte, also Talkaccino bei Ö3 eingeladen gewesen wäre, wie hättest du das Interview begonnen?

Ich hätte mich im Vergleich zu heute darauf vorbereitet. (lacht)

Zu beginnen ist immer schwer. Das kommt eben auch auf den Funken an, ob man sich spürt oder nicht. Ich wäre sicher in die Richtung gegangen, wie viel Mut man heutzutage – in Zeiten von Corona – braucht, um sich selbstständig zu machen. Wie schaut die finanzielle Situation dazu aus? Ich würde nach dem Unterschied zu Interviews in Tageszeitungen fragen. Ich würde dich fragen, wie dein Mund-Nasen-Schutz aussieht. Ich finde, es sagt sehr viel aus, was für eine Maske jemand trägt.

Lieblings-

Buch: Die Brüder Löwenherz (Astrid Lindgren)
Film: A beautiful mind, Das Experiment, Leg dich nicht mit Zohan an, 50 erste Dates, Die Sissi-Trilogie
Song: I love you, baby (Surf Mesa)
Schauspieler/in: Drew Barrymore, Meryl Streep, Will Ferrell, Zach Galifianakis
Motto: Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben.
Autor/in: Stefan Zweig
Serie: A handmaid’s tale
Stadt: Hamburg
Land: Österreich
Gericht: Kartoffelknödel   
Getränk: Weißer Spritzer und alles mit Gin

Persönliches Mitbringsel

Es ist ein Ring von meiner Mama. Diesen hier hat sie aussortiert, weil er ihr nicht mehr gepasst hat. Zur Corona-Zeit hat meine Mama, die im Burgenland lebt, nicht mehr nach Wien fahren können. Ich habe sie sonst jede Woche gesehen. Sie ist ein wahnsinnig wichtiger Mensch, mit dem ich gerne Zeit verbringe. Es ist locker und leicht mit ihr. Sie hilft mir auch sehr mit meiner Tochter. Das war sehr schwer, als ich sie nicht mehr sehen konnte. Deswegen habe ich mit Beginn der Quarantäne-Zeit den Ring raufgegeben und seitdem nicht mehr abgenommen. Ich finde, er ist ein schönes Erbe. Es ist eine Art, die Wurzeln immer bei mir zu haben.
Persönliches Mitbringsel von Lisa Hotwagner – ein Ring

Schönstes und negativstes Erlebnis der vergangenen Woche

Schönstes: Mein schönstes Erlebnis war, dass meine Tochter zu laufen begonnen hat – ohne sich anzuhalten!
Negativstes: Mein Jahresparkpickerl ist abgelaufen und ich habe gleich mal drei Strafzettel bekommen.

Berufswunsch als Kind

Kindergartentante

Wen wolltest du immer schon mal treffen?

Otto Waalkes

Teenie-Schwarm

Der Fuchs aus dem Disney-Zeichentrickfilm »Robin Hood«. Mein Mann hatte den übrigens, als wir uns kennengelernt haben, als Facebook-Profilbild. (lacht)

Café Bestellung

Honey Ginger Lemon Soda

Ort des Interviews

Oben
Der Name ist Programm, so befindet sich das »Oben« überhalb der Wiener Hauptbücherei am Urban-Loritz-Platz. Man sitzt zwar mitten zwischen zwei der meistbefahrenen Straßen Wiens, den Fahrbahnen des Wiener Gürtels, befindet sich dennoch in gemütlichem Ambiente mit Aussicht über Teile der Stadt. In den Sommermonaten findet sich mit dem »Kino am Dach« eines der städtischen Freiluftkinos auf derselben Ebene wieder. Buch, Film, Essen & Trinken – das Überraschungsei der Wiener Gastronomie.