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Bademeister Michael Bruckl im Gespräch
 
       
       
Michael Bruckl

Bademeister im Wiener Gänsehäufel

Gesellschaft
02.08.2021
Michael Bruckl ist Bademeister im Gänsehäufel, Wiens größtem Strandbad, mit einer Kapazität von bis zu 30.000 Besuchern täglich. Auf dem riesigen Naturareal von ca. 28 Hektar – oder umgerechnet ungefähr 40 Fußballfeldern – wird ein breites Freizeitspektrum angeboten. Diverse Gastronomiebetriebe gehören genauso dazu wie ein Hochseilgarten, Volleyballplätze, Tennisplätze, Wellenbecken, Fitnessgeräte oder ein eigener FKK-Bereich mit direktem Zugang zur Alten Donau.

Ich habe letztens ein Interview mit einem Taxifahrer geführt. Er meinte, dass der Begriff »Taxler« abwertend sei. Wie geht’s Ihnen mit dem Begriff »Badewaschl«?

(lacht) Überhaupt nicht schlecht! »Badewaschl« ist ja ein traditioneller Begriff. Jetzt heißen sie »Bassinaufseher« und das klingt mir ehrlich gesagt ein bissl zu hochgestochen. Ich meine, der Badewaschl passt scho und ist für mich kein Problem. Man kann mich ruhig so bezeichnen.

Aktuell ist Hochsaison im Wiener Gänsehäufel. Wie sieht ein gemütlicher und lässiger Arbeitstag bei Ihnen aus und wie ein stressiger?

Lässige Arbeitstage in dem Sinn gibt es keine. Stressfreie vielleicht, wenn wir keine Badegäste haben. Man vergisst, dass unsere Arbeit bereits um 7 Uhr früh beginnt, bevor die Badegäste da sind. Alles wird gereinigt und geputzt. Das vergessen die Badegäste, weil sie den Bademeister nur, in weißer Kleidung, sitzend aufs Wasser schauen sehen. Das Klischee ist, dass wir nur dasitzen und schönen Frauen nachschauen, was kompletter Schwachsinn ist! Vielleicht war das vor 30 Jahren mal so, heute sind wir absolut aufs Wasser konzentriert. Früher sind die Bademeister mit nacktem Oberkörper dagesessen und haben den jungen Damen nachgepfiffen. Heute funktioniert das so nicht mehr.

Warum nicht?

Weil wir eine riesige Verantwortung tragen. In der Früh müssen wir die Becken reinigen, Rasen mähen, Hecken schneiden und die Mistkübel entleeren. Die Vorarbeiten, bevor die Gäste überhaupt hereinkommen, sieht ein Außenstehender überhaupt nicht. Wenn die Gäste dann hier sind, sind wir frisch umgezogen und müssen auf die Leute aufpassen, die unachtsam sind. Manche vergessen, sich zu duschen, und hüpfen überhitzt ins kalte Wasser. Andere wiederum geraten in Panik, wenn sie im Wasser von irgendwas gekitzelt werden. Der Bademeister ist dazu da, darauf achtzugeben und aufzupassen, und nicht dazu, um auf junge Damen zu schauen. Das ist ein No-Go!
Interview mit Bademeister Michael Bruckl

Wie oft müssen Sie schätzungsweise jemanden aus dem Wasser ziehen, weil die Person die Kräfte verlassen oder weil andere Unfälle passieren?

Hier im Gänsehäufel ist mir das noch nicht oft passiert, aber im Laaerbergbad früher sehr oft. Manchmal habe ich täglich fast drei Garnituren an frischer Wäsche verbraucht. Vor allem im Sportbecken überschätzen sich die meisten. Manche Leute sind auch einfach nur gedankenlos. Es gibt Jugendliche, die nicht mal schwimmen können und dann vom Dreimeterbrett springen, weil die vor ihnen auch gesprungen sind. Dabei weiß der nicht mal, wie tief das ist, und kann nicht mal schwimmen!

Es gibt Leute, die ins Wasser springen, obwohl sie nicht schwimmen können?

Ja, die gibt es. Habe ich leider immer wieder erlebt. Es gibt auch welche, die sich einen Spaß machen und einen ihrer Freunde reinstoßen. Erst mal denkt man sich, nicht gleich zu pfeifen, sondern zu warten, bis der wieder draußen ist, um im Anschluss der Gruppe zu erklären, dass das so nicht geht. Und auf einmal merkst du, dass der herumzappelt und nicht schwimmen kann. Dann springst rein und ziehst ihn raus. Auf einmal schauen alle drei – die zwei, die den einen ins Wasser gestoßen haben, und der im Wasser – und du kommst drauf, dass keiner von denen schwimmen kann. 

Tolle Freunde.

Total. Die haben auch nicht gewusst, dass das Becken fünf Meter tief ist. Einfach mal schnell reinspringen oder -stoßen und dann überrascht sein. Da musst du als Bademeister bereit sein. Ich hab ihnen dann erklärt, dass sie sich Schwimmflügel kaufen sollen, wenn sie ins Wasser gehen, ohne schwimmen zu können. Und wenn sie das nicht machen, sollen sie sich nur noch im Kinderbereich aufhalten, wenn sie sich so aufführen. (lacht)
»Kinder holen einmal tief Luft und gehen, ohne zu schreien, unter«

Mussten Sie schon mal jemanden wiederbeleben?

Ich noch nicht, aber es ist schon öfters passiert hier im Gänsehäufel. Das waren die Kollegen, da ich nicht im Dienst war.

Wenn man am Ufer steht, wie schwer ist es zu erkennen, ob die draußen in der Donau einen Spaß haben oder ob die Situation gerade gefährlich wird?

Wenn jemand mit Freunden draußen ist, schreien sie um Hilfe. Das bemerkst du relativ schnell. Gefährlich ist es eher, wenn jemand alleine unterwegs ist und auf einmal Probleme bekommt. Wenn du merkst, dass der auf einmal zu zappeln beginnt, musst du sofort reagieren. 

Geht man dann nicht relativ schnell unter?

Das sind die Kinder. Die holen noch einmal tief Luft und gehen, ohne zu schreien, unter. 

Achtet man als Bademeister dann mehr auf die Kinder?

Nein, man achtet auf alle!

Dennoch gibt es wahrscheinlich tendenziell gefährdetere Gruppen.

Ja, klar, ältere Personen zum Beispiel. Diejenigen die krampfgefährdet sind, schwimmen dann meist am Seil am Weststrand entlang, um sich dort anhalten zu können. Andere ältere Personen nehmen sich eine Schwimmnudel oder eine Schwimmboje mit. Die meisten sind in der Hinsicht sehr vernünftig. Bei welchen Besuchern du aufpassen musst, sind diejenigen, die schon an der Kasse mit mehreren Taschen vollbepackt sind und beim Anstehen in der Hitze mit dem Kreislauf zu kämpfen haben. 

Welche Gäste sind Ihnen eigentlich lieber – Stammgäste, mit denen man zwischendurch ein Plauscherl führt, oder die Laufkundschaft, an die man sich am nächsten Tag schon nicht mehr erinnern kann?

Mir ist jeder Gast lieb und recht – egal, ob Stammgast oder nicht. Wir sind zu allen freundlich, nett, zuvorkommend und hilfsbereit – völlig wurscht, um welche Art von Gast es sich handelt.

Wenn wir uns an die 90er zurückerinnern ... was glauben Sie, welche Frage jetzt kommen könnte?

Keine Ahnung.

Eine Serie war damals sehr bekannt und beliebt.

Oh Gott, des können S’ total vergessen. Die hat mit der Realität gar nichts zu tun.

Genau das wäre meine Frage gewesen: Wie viel von der Serie »Baywatch« hat mit der Realität zu tun und wie viel davon ist absoluter Blödsinn?

Ich würde sagen, dass 90 Prozent ein Blödsinn sind. Ich hab mir die Serie auch nie angesehen. Das hat mich nie interessiert ... nicht mal die Pamela Anderson. 
Im Gespräch: Bademeister Michael Bruckl

Wenn man jeden Tag mit so vielen Menschen auf einem Haufen – im wahrsten Sinne – zu tun hat: Gibt’s spezielle Erlebnisse, die Ihnen über die Jahre im Gedächtnis geblieben sind?

Ein paar Rettungsaktionen, die glimpflich ausgegangen sind, sind mir im positiven Sinn in Erinnerung. Einmal ist ein Kind verloren gegangen, das wir dann wieder gefunden haben. Ein anderes Mal habe ich jemanden aus einem Becken gezogen und er hat sich zigfach bei mir dafür bedankt. Das sind Momente, die einem schwer ans Herz gehen. 

Sind Sie privat lieber in Badehose oder lieber nackert im FKK-Bereich unterwegs?

(grinst) Ich fahre gerne mit dem Fahrrad in die Lobau, stelle das Rad dort dann wo ab, zieh mir die Hose runter, spring rein, schwimm eine Runde, komm raus, zieh mir die Hose wieder an und fahr dann weiter. Das ist mir das Liebste! 

Wo ich auch gerne bin, ist das Strandbad in Bad Vöslau. Ich mag dort das ruhige Ambiente und die kühle Quelle, auch wenn ich nicht reingehe, weil mir das Wasser zu kalt ist. Ein- bis zweimal in der Saison bin ich mit meiner Frau dort. Niemand kennt mich dort, und niemand fragt mich, weil gerade irgendetwas gebraucht wird. Wenn ich im Gänsehäufel schwimmen gehen würde, würden manche Gäste glauben, ich mache das während meiner Dienstzeit. Da hätte ich ein Problem, wenn sie mich gemütlich Kaffee trinken sehen. (lacht)

Um von der Freikörperkultur zum warm eingepackten Körper zu kommen: Was macht man als Bademeister eigentlich im Winter?

Ich bin ganzjährig angestellt. Im Winter machen wir Servicearbeiten: Rasenmäher reparieren, Pumpen kontrollieren, Bestellungen für den Sommer tätigen, Ausbau der Wasserleitungen, damit sie nicht einfrieren, und so weiter. Im Sommer habe ich außerdem keinen Urlaub, den hol ich dann im Winter nach. 

Das Gänsehäufel ist ein naturbelassenes Strandbad. Kommt es ab und an vor, dass es Zwischenfälle mit Tieren gibt. Ich meine jetzt keine Insektenstiche, sondern Schlangen, Vögel etc.

Gibt es natürlich! Wir haben ein wunderschönes Biotop, das übrigens auch mein Lieblingsplatz im Gänsehäufel ist. Dort haben wir Schildkröten, Silberreiher, Eisvögel oder auch Biber, die von der Alten Donau ab und an auf die Wiese kommen. Gestern erst hatten wir zwei Hasen, die herumgehoppelt sind. Einen Fuchs hatten wir auch schon auf der Insel. Angeblich hatten wir auch mal einen Rehbock, der im Winter über das Eis aufs Gänsehäufel gekommen ist. Bunt- und Schwarzspechte haben wir auch wahnsinnig viele. Also ja, es tut sich was.

Angenommen, Sie dürften das Gänsehäufel nach Belieben umgestalten: Was würden Sie ändern?

Eigentlich gar nichts. Mir taugt es so, wie es ist.

Lieblings-

Buch: Illuminati (Dan Brown)
Film: Ich bin kein Cineast.
Song: Morning has broken (Cat Stevens) 
Schauspieler/in: Jack Nicholson
Motto: Habe ich mir ehrlicherweise noch nicht überlegt. 
Autor/in: Roger Willemsen, Henning Mankell
Serie: Ich schaue keine Serien.
Stadt: Kopenhagen
Land: Burgenland
Gericht: Spaghetti Gamberetti
Getränk: Bier

Persönliches Mitbringsel

Das ist das Buch »100 Jahre Gänsehäufel«, das ich jedem nur empfehlen kann! Es ist super illustriert und die ganze Geschichte vom Bad ist darin nachzulesen. Auch mein Lieblingsplatz, das Biotop, kann man sich darin ansehen.
Buch »100 Jahre Gänsehäufel«

Schönstes und negativstes Erlebnis der vergangenen Woche

Ich bin ein positiv eingestellter Mensch und sehe leider auch das Negative positiv, weil man aus dem Negativen irrsinnig viel lernt. Mir hat’s sehr getaugt, dass wir nach den Unwettern alle gemeinsam den Strand wieder so gut sauber gebracht haben. Die Kollegen am Gänsehäufel sind alle kumpelhaft. Wir sind eine tolle Truppe und verstehen uns untereinander wirklich gut. Das ist über die gesamte Saison durch das Positive. Natürlich gibt’s ab und an ein paar Reibereien, aber das ist auch vollkommen okay. Alles in allem sind wir eine super Gemeinschaft, die zusammenhält.

Berufswunsch als Kind

Ich wollte immer schon Koch werden. Mein Großvater war gelernter Buchhalter und Hobbykoch. Meine Großmutter durfte in der Küche nichts anrühren, weil das alles mein Opa gemacht hat. Von dem habe ich das mitbekommen und habe daher auch Koch gelernt. Bevor ich Bademeister geworden bin, war ich 35 Jahre lang Koch. Mit 50 habe ich entschieden, dass es jetzt reicht und ich etwas anderes mache. Bis zur Pension wollte ich nicht in der Küche stehen.

Wen wollten Sie immer schon einmal treffen?

Frank Hoffmann – den habe ich sogar schon einmal getroffen.

Teenie-Schwarm

Raquel Welch

Café während des Interviews

Espresso

Ort des Interviews

Das Restaurant Weststrand befindet sich direkt am Westufer des Gänsehäufels. Angeboten werden klassische Frühstücksteller wie beispielsweise das »Wiener Frühstück« oder wechselnde Tagesteller zu Mittag. Je nachdem, wo man Platz nimmt, hat man die Alte Donau mit Badestrand oder wahlweise einen Teil der neuen Wiener Skyline hinter sich.