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Roland Düringer im Interview
 
       
       
Roland Düringer

Kabarettist & Schauspieler

Kultur
17.11.2022
»Muttertag«, »Kaisermühlen Blues«, »MA 2412«, »Hinterholz 8« und »Poppitz« sind nur ein paar der Film- und Serienprojekte, an denen Roland Düringer maßgeblich mitwirkte und durch die er nationale Bekanntheit und mittlerweile Kultstatus erreicht hat. Doch auch mit seinen Kabarettprogrammen wie beispielsweise »Benzinbrüder«, »Viertelliterklasse« oder »Regenerationsabend« hat er dem österreichischen Kulturbetrieb seinen Stempel aufgedrückt. Beim Fernsehsender Puls 4 hatte er für zwei Jahre eine eigene Talkshow, die Talkaccino gar nicht so unähnlich war – so hat er sich ungefähr eine Stunde lang mit unterschiedlichen Gästen zu verschiedenen Themen ausgetauscht. Und zuletzt hat er mit der Liste »G!LT« politische Gehversuche unternommen, die jedoch mangels Resonanz relativ rasch wieder zu Ende gingen.

Wie würde ein Gespräch aussehen, bei dem neben dir auch einige deiner gespielten Charaktere – wie beispielsweise Ingenieur Breitfuß, Joschi Täubler oder Opa Neugebauer – anwesend wären?

Ich glaube, es wäre gescheiter, wenn jeder für sich hier sitzen würde. Sonst würden wir an der Oberfläche bleiben, weil ich ja immer wechseln müsste. Das Entscheidende bei einer Figur sind nicht nur meine Reaktionen auf Fragen, sondern das, was in mir passiert, wenn ich zuhöre. Das ist das Wesen der Schauspielerei, wie ich es verstehe. Nicht nur präsent sein, wenn man einen Satz sagt, sondern auch als Figur zuhören. Immer in der Figur drinnenbleiben. Wenn die also alle hier sitzen würden, wäre das schon ein bissl wie ein Zirkus. Wenn du aber Lust hast, mit dem Herrn Ingenieur Breitfuß ein Interview zu machen: Überhaupt kein Problem!

Sollen wir es dabei belassen oder möchtest du je Frage in einen dieser Charaktere wechseln?

Nein, das möchte ich nicht.

Du meintest vorhin, dass man als Schauspieler nicht nur präsent sein soll, wenn man einen Satz sagt.

Ja, genau.

»I sog’s glei, I wor’s net« wird immer und immer und immer wieder von Jung und Alt verwendet, um sich aus unterschiedlichen Situationen rauszuwinden – egal ob privat oder beruflich.

Das hat sich so ergeben, hat aber nichts mit mir zu tun.

Indirekt schon.

Okay, ich habe den Satz aber nicht formuliert wie jemand, der Werbung macht, nur damit das nachgequatscht wird. Der Satz wurde halt vom Publikum aufgegriffen und hat sich damit weiterverbreitet. Der Opa hat das ja nicht andauernd gesagt in dem Film, sondern ein- oder zweimal. Offenbar ist das hängen geblieben, weil der Zusammenhang so lustig war – zum Beispiel als er sich aufs Meerschweinchen gesetzt hat.

Es hat auch damit zu tun, wie du es gesagt hast.

Natürlich. Alte Leute werden ein bissl wie Kinder.

Als ich Zivildienst im Pflegeheim geleistet habe, bin ich gefragt worden, wie es ist. Ich meinte: »Vom Brei, zum Brei.« Mir wurde daraufhin gesagt, ich sei frech.

Es ist aber so. Meine Mutter ist jetzt 87 und sitzt auch gerade im Pflegeheim, weil sie sich den Knöchel gebrochen hat. Auch hier ist es so, dass ich manchmal mit einem kleinen Kind spreche. Man muss sie auch behandeln wie ein kleines Kind.

Das heißt?

»Nicht drei Dinge auf einmal machen. Schau, wo du hinsteigst. Wie sagt man, wenn man was will? ›Bitte‹, genau.« Also lauter solche Sätze, die sie zu mir als Kind gesagt hat, sage ich jetzt zu ihr.

Du erinnerst dich an deine eigene Erziehung und wendest sie nun bei deiner Mutter an.

Nicht bewusst, aber der eigenen Erziehung entrinnt man nicht. Die ist ein Teil von dir.

Hast du es probiert?

Das ist die Aufgabe, die man beim Erwachsenwerden hat. Alles, was man gehört hat, gilt es, so rasch wie möglich hinter sich zu lassen. Bei mir war es zumindest so.

Alles anders zu machen, als die Eltern einem gezeigt haben, ist etwas zu einfach, oder?

Nicht alles, aber genau die Sachen, die mich gestört haben. Ich habe mir geschworen, dass ich diese Sachen niemals zu meinen Kindern sagen werde, sollte ich jemals welche haben. Und dann, wenn es so weit ist, merkst du auf einmal, dass es dir deinen Kindern gegenüber selbst rausrutscht. Da frage ich mich dann schon, ob ich ganz deppat bin. Wie kann man nur so deppat sein und einen Satz sagen wie »Sag, hörst du nicht?!«? Man kann, ganz einfach sogar, weil man ihn gelernt hat.

Wie oft hast du bis drei gezählt und gemerkt, dass es nichts bringt?

Bis drei?

Ich zähl jetzt bis drei, aber dann!

Ach so ... das hat’s bei uns nicht gegeben. Bei uns war es: »Jetzt kommt mir aber gleich eine aus!« Aber egal, letztendlich ist es nur eine Variation von dem, was es ist.
Interview mit Roland Düringer

Ingenieur Breitfuß wird im Dezember 2022 ein Comeback in »Weber und Breitfuß« an der Seite von Alfred Dorfer erleben. Was dürfen sich Fans erwarten?

Es handelt sich um kein Amt mehr, sondern die beiden sind in Pension und treffen sich immer wieder. Allerdings nicht freiwillig, sondern weil sie aus verschiedenen Gründen immer zusammen zur selben Zeit an den selben Ort gelangen und dort gemeinsame Abenteuer erleben. Beide werden in komplett unterschiedliche Situationen gesteckt, ein bissl wie bei »Laurel and Hardy«. Egal welche Szenen die beiden gespielt haben, die Figuren waren immer die gleichen. Es wird sich also um Genre-Filme handeln. Eine Geschichte wird in einer Reha-Klinik spielen, in der Leute verschwinden. In einer anderen Geschichte verdienen sich beide ein wenig Geld dazu, indem sie als Komparsen beim Film tätig sind. Lustigerweise freuen sich viele Leute darauf, ohne zu wissen, was eigentlich passieren wird. Wenn es dem Publikum gefällt, hätten wir schon weitere Ideen, wie es weitergehen könnte.

Durch diverse veröffentlichte Chats würde es genug Stoff geben, um hinter die Türen von einigen Ämtern zu schauen.

Es sind jetzt zwei Pensionisten, die Abenteuer erleben. Es geht also wirklich nicht mehr um Beamte. Das Wesen des Beamtentums tragen sie natürlich noch in sich. Wenn sie also jemanden sekkieren können, dann gefällt ihnen das schon. Das Amt selbst ist aber nicht mehr im Vordergrund.

Die Hassliebe zwischen den beiden wird aber nach wie vor vorhanden sein.

Das ist das Entscheidende.
»Einen Wahnsinnigen im Tatort zu spielen ist immer leichter, als eine gute Komödie zu machen«

Vor Kurzem hast du im »Tatort« einen ehemaligen Zuhälter gespielt, der sich mit okkulten Praktiken und Satanismus auseinandersetzt. Wie bereitet man sich als Kabarettist, der aus dem Gute-Laune-Eck kommt, auf solch eine Rolle vor?

Die Frage müsste umgekehrt lauten: Wie landet jemand, der eigentlich Schauspielerei gelernt hat und sich sehr wohl mit ernsten Stoffen auseinandergesetzt hat, auf der Kabarett-Bühne? Ich habe den Beruf des Schauspielers seriös gelernt und kann das daher auch. Ganz einfach. Wenn du dann aber, wie wir damals, das Genre mit dem »Schlabarett« und in weiterer Folge mit lustigen Filmen und Serien betrittst, ist es ganz selten, dass du etwas Nichtkomisches angeboten bekommst. Einen Wahnsinnigen im Tatort zu spielen ist immer leichter, als eine gute Komödie zu machen. Das ist das Schwierigste! Es gibt nämlich genau ein Messinstrument: das Lachen des Publikums. Es gibt keine Ausreden, wenn die nicht lachen. Bei tragischen Figuren gibt es tausende Argumente, warum du das gut gemacht hast, aber aus dem Publikum kein Feedback gekommen ist. Wenn du Comedian bist, auf die Bühne gehst und aus dem Publikum kommt nichts, brauchst du nicht darüber nachzudenken, ob du gut bist.

Was macht dir mehr Spaß, wenn du eigentlich Schauspieler bist und du in der Öffentlichkeit aber als Kabarettist wahrgenommen wirst?

Von der Tätigkeit her ist es relativ wurscht, denn das, was ich mache, ist letztendlich das Gleiche. Ein Drehtag ist ein Drehtag, egal ob ich etwas Lustiges oder Ernstes spiele. Es bedeutet, sehr viel zu warten, im Winter zu frieren und im Sommer viel zu schwitzen. Während eines Drehs gibt es generell wenig Abwechslung. Mittlerweile ist es für mich viel wichtiger, wie die Drehtage waren, und weniger, wie das Endprodukt aussieht. Vom Endprodukt habe ich relativ wenig. Wenn ich also in einem Film mitwirke, der ein super Erfolg ist, aber am Set während des Drehs ist es nur beschissen, hab ich wenig davon, wenn ich dafür eine »Romy« gewinne. Da bin ich lieber in einem Film, den niemand gesehen hat, weil er komplett uninteressant ist, ich dafür aber fünf wunderbare Nächte in Riga verbringen durfte. Da hab ich persönlich nämlich was davon und so suche ich mir meine Projekte mittlerweile aus: Worum geht es, was ist der Kontext, wie viel Zeit verbringe ich wo mit wem? Alles andere ist mir wirklich egal. Ich habe einige Jahre gebraucht, um das für mich herauszufinden.

Funktioniert das auch in anderen Berufen oder sprechen wir jetzt rein von der Freiheit des Künstlers?

Ich glaube schon, dass es auch auf andere Tätigkeiten umlegbar ist. Bei allem, was du machst, musst du die Rahmenbedingungen, unter denen das dann stattfinden könnte, miteinberechnen. Was bedeutet das im Gesamten? Wenn du beispielsweise Tischler bist und du entscheidest dich dazu, alte Möbel zu restaurieren, ist es eine komplett andere Tätigkeit, als wenn du für ein Möbelhaus Küchen aufbaust. In beiden Fällen bist du Tischler. Man sollte sich also immer überlegen, wenn man eine Entscheidung trifft, was das bedeutet und mit wem man dann arbeitet. Man sollte nicht nur geil darauf sein, überhaupt dabei zu sein. Damit schießt man sich ins Knie.

Du warst von 2015 bis 2017 mit dem Format »Gültige Stimme« bei Puls 4 auf Sendung und hast dich mit unterschiedlichen Persönlichkeiten zu verschiedenen Themen ausgetauscht. Was war dein Antrieb und warum wurde die Sendung nach zwei Jahren eingestellt?

Der Antrieb war, wie immer im Leben, Eigennutz. Ich rede gerne mit Leuten, die ganz von woanders herkommen. Damit meine ich jetzt nicht Ausland, sondern: Sie kommen aus einer anderen Welt, weil sie eine andere Tätigkeit ausüben und daher ein anderes Weltbild haben. Mit denen wollte ich mich austauschen, etwas lernen und verstehen, warum die so funktionieren, wie sie funktionieren, und warum ich in manchen Bereichen anders funktioniere. Der zweite Grund war, dass ich schon damals gemerkt habe, dass wir als Gesellschaft in eine gefährliche Richtung abbiegen. Die Polarisierung gibt es nicht erst seit Corona. Die gibt es auch nicht erst seit der Bundespräsidentenwahl 2016, in der Hofer und Van der Bellen in die Stichwahl gekommen sind. Es war umgekehrt: Weil die Spaltung bereits stattgefunden hat, sind die beiden im Finale gestanden. Ursache und Wirkung darf man also nicht vertauschen. Ich wollte mich sachlich austauschen, ohne ideologische Beschichtung, selbst wenn man unterschiedliche Positionen vertritt.

Durch meine Idee, bei den Nationalratswahlen mit einer eigenen Liste anzutreten, habe ich dann mitgeteilt bekommen, dass ich mit der Sendung gleich wieder aufhören kann, weil das so nicht geht. Damit hab ich’s dann lassen.

Warum nicht jetzt erneut damit anfangen?

Der Sender war im Lauf der Zeit nicht sonderlich begeistert. Manche Gäste hatten keinen Ruf, manche einen schlechten. Manche haben einfach seltsame Sachen gesagt. Und dann wurde schon an den Sender geschrieben – auch von Printmedien –, warum man den Neuen Rechten eine Plattform gibt. Es ist also genau das passiert, weswegen ich das Format überhaupt gestartet habe, nämlich dass man sich auch ruhig jemanden anhören kann, der manches komplett anders sieht als man selbst.

Man sollte meinen, dass eine Demokratie das aushält.

Sollte man eigentlich meinen. Diese Art der Demokratie hält das aber ganz schlecht aus.

Ich habe letztens folgenden Satz gesagt bekommen: »Das Problem heutzutage ist, dass die Linken die Deutungshoheit haben.« Ich habe darauf entgegnet: »Wahrscheinlich weil in der Vergangenheit mit den Rechten deutlich schlimmere historisch belegte Erfahrungen gemacht worden sind.«

Würde jemand, der in Russland lebt, möglicherweise anders sehen. Die haben mit dem Stalin die schlechteren Erfahrungen gemacht. Es geht ja schon mal um diese Begriffe wie »links« und »rechts«. Die sind kompletter Schwachsinn! Natürlich gibt es Grundhaltungen – konservativ und liberal. Also einerseits zu probieren, das zu bewahren, was funktioniert, ohne es einfach über Bord zu schmeißen. Und andererseits gibt es das Bestreben, die Dinge weiterzuentwickeln und zu verbessern. Genau zwischen diesen beiden Spannungsfeldern geht es hin und her – oder sollte es zumindest. Aktuell steht ja alles kopf. Links und rechts gibt es so ja nicht. Links war immer die Opposition und rechts waren die Herrschenden. Von dort kommt das.

Es hat sich um die Sitzanordnung gehandelt.

Genau, aber irgendwann hat sich das umgedreht. Ich war mal als Gast in eine »Club 2«-Sendung eingeladen und hab dort gesagt, dass die einzige linke Opposition mittlerweile von der FPÖ gemacht wird. Den Jungsozialisten sind vor Aufregung gleich alle Zettel aus der Hand gefallen.
»Gegen den Strom der Zeit zu schwimmen macht überhaupt keinen Sinn«

Es gab vor Jahren ein Buch von Stéphane Hessel mit dem Titel »Empört euch!«. Vielleicht würde er sich heute über die regelmäßige gesellschaftliche Empörung empören. Du kannst heute nicht mal mehr einen Satz vollenden, ohne dass in der Mitte der Aussage ...

... die Leute gleich hysterisch werden.

»Homosexualität ist das Unnatürlichste auf der Welt ...

...

..., wenn es um Fortpflanzung geht, nicht aber wenn es um die Liebe geht.« Aufregung in der Mitte, aber Entspannung am Ende des Satzes.

... (grinst) Stimmt schon, bis dorthin kommst du in der Regel aber gar nicht mehr. Gegen den Strom der Zeit zu schwimmen macht überhaupt keinen Sinn. Wir sind in einem Strudel drinnen, der irgendwie abbiegen und sich zu irgendetwas entwickeln wird. Schauen wir mal. 

Ein Interviewpartner am Anfang des Jahres – Film- und Wirtschaftsdramaturg Ip Wischin – meinte im Gespräch: »Man ahnt nicht, wie totalitär man unterwegs ist, wenn man glaubt, das Richtige zu tun.«

Das sowieso! Vor allem, wenn man den anderen sagt, was richtig ist. Wenn man sagt, ich tu das Richtige und alle anderen sollen tun, was sie wollen ... okay. Wenn ich aber anfange zu sagen, dass es nur richtig ist, wie ich es mache ... so geht’s einfach nicht. Der Überbringer der Botschaft wird gleich mal geköpft – sicherheitshalber. Es kommt heute nicht mehr darauf an, was man sagt, sondern wer etwas sagt. Dasselbe gilt für mich. Auf manchen Kleinkunstbühnen habe ich mittlerweile Auftrittsverbot.

Damit ist die Freiheit der Kunst dann aber auch nicht mehr wirklich gegeben.

Damit ist was anderes gemeint. Im Kontext auf der Bühne kannst du alles machen – das ist mit der Freiheit der Kunst gemeint. Deswegen werde ich aber nicht von manchen Bühnen verbannt. Ich bin für die so arg, weil ich als Person manches in der Öffentlichkeit sage. Und das passt denen nicht und ist für die ganz furchtbar. Um den Bühneninhalt geht es da überhaupt nicht.
»Die eigene Spezies begeistert mich nicht«

Glaubst du, dass das Pendel der Ideologien auch wieder in die andere Richtung ausschlagen wird? Manche vermuten, dass Elon Musk, nach der Übernahme von Twitter, allen wieder die Möglichkeit geben wird, sich, unabhängig vom Inhalt, mitzuteilen. Die Entscheidung eines Mächtigen über solch einen relevanten Kommunikationskanal könnte sich entsprechend auswirken.

Ich weiß es nicht, und ich glaube, es ist wurscht, ob Elon Musk Twitter gekauft hat. Seitdem es den Menschen gibt, macht er Schwierigkeiten. Und zwar sich gegenseitig. Warum das so ist, keine Ahnung. Es ist einfach so. Der einzige Unterschied ist, dass Dinge früher länger Zeit gebraucht haben. Wenn sich etwas negativ entwickelt hat, war es kein globales Ereignis, sondern war auf Regionen beschränkt. Mittlerweile hat man das Gefühl, dass die Entwicklung eine globale ist, und dazu tragen solche neuen Medien der Vernetzung natürlich bei. Ob das aber nun der Herr Musk ist oder ein anderer, ist relativ egal. Die Technik besteht. Und der Drang vieler Menschen, sich auszukotzen und gehört zu werden, besteht ebenso.

Bist du ein Misanthrop?

Sagen wir so: Die eigene Spezies begeistert mich nicht. Als einzelne Individuen sind wir teilweise wirklich lieb, aber in der Masse sind wir grenzwertig. Daher meide ich Menschenmassen.

Auf Demos warst du aber schon.

Das Entscheidende ist aber nicht, dass ich auf auf Demos war, sondern das, was ich dort auf der Bühne den Leuten gesagt habe.

Was hast du ihnen gesagt?

Ich habe mir die Demos mal angesehen, um mir selbst ein Bild zu machen. Wer ist dort? Wie viele sind eigentlich dort? Was sind das für Leute? Auf einer der Bühnen habe ich dann gefragt, warum sie glauben, dass sie recht haben und nicht die anderen. Wissenschaftler der Initiative »Gesundheit für Österreich« waren dort, Ärzte waren dort und diverse Leute haben demonstriert – wie das halt so ist bei den Impf-Demos. Vielleicht haben beide irgendwo recht oder es liegen beide falsch. Die meisten auf Bühnen reden das, was die unten hören wollen. Nur macht das keinen Sinn. Ich rede eigentlich immer dagegen.

Ist aber nicht genau das das Problem, dass Leute, die etwas komplett anderes gelernt haben, sich über Dinge austauschen, die sie nicht gelernt haben?

Was ohne Zweifel ist: Die heutigen Ausbildungen werden immer kleinteiliger, bezogen auf ein bestimmtes Thema. Dort liegt dann der Fokus. Den Universalgelehrten kannst du natürlich nirgends lernen, eh klar. Als Kind war ich bei meinen Großeltern im Waldviertel, wo lauter Bauern gelebt haben. Es hat mich total fasziniert, was die alles können. Haus bauen, Holz hacken, Traktor reparieren, Schwammerln sammeln, und bei Viechern kennen die sich auch aus. Bauern können alles! Ansonsten gibt es lauter Experten für jeden kleinen Teilbereich. Experten wissen immer mehr von immer weniger, bis sie alles von nichts wissen. Sich nur einen Teil anzusehen bringt in einem Bereich der Wissenschaft etwas. Im Gesamten bringt das gar nichts. Daher finde ich es gut, dass bei den Maßnahmendiskussionen rund um das Corona-Virus auch andere Disziplinen mitgesprochen haben, nämlich auch Psychologen und nicht nur Virologen. Warum? Weil es ein gesellschaftliches Ereignis ist und nicht nur ein medizinisches. Aber dass nun jeder meint, er muss kommentieren, weil er auf YouTube irgendeinen Fachbeitrag gesehen hat, das geht einfach nicht.
Im Gespräch mit Roland Düringer

Was ist von der Liste »G!LT« geblieben, außer dem Haufen Mist, den du vorm Parlament abgeladen hast?

Woran ich mich immer erinnern werde: Als ich in die Wahlzelle gegangen bin und wusste, dass ich jetzt das Richtige mache, und zwar ohne Kompromiss. Nämlich, dass meine Stimme gilt. Sie gilt, weil ich bei jeder Entscheidung in meinem Leben eine Stimme abgebe. Damit gilt sie sowieso. Kaufentscheidungen, Berufsentscheidungen und so weiter. Mit allem gebe ich ein Signal. Unser Zusammenleben in einer Gemeinde oder generell der Zivilisation kann nur so funktionieren, dass jeder sich beteiligen kann an dem, was passiert. Also nicht an eine bestimmte Klientel delegieren, dass etwas für uns gemacht wird.

Rückwirkend betrachtet: Hast du den gleichen Fehler gemacht wie Frank Stronach 2013 oder Jörg Haider 2006? Beide waren Galionsfiguren ihrer Parteien, haben aber andere Spitzenkandidaten nominiert. Du meintest, im Fall eines Einzugs deiner Liste in den Nationalrat nicht mit an Bord sein zu wollen.

Ich bin ja nicht mal auf der Liste gestanden. Ich war nur der Ideengeber.

Die Leute wollen doch jemand Starken an der Spitze, der dann auch umsetzen soll.

Die Leute haben das Projekt dann halt nicht verstanden. Dafür gibt es andere Angebote. Unser Projekt war ganz einfach. 2013 war Nationalratswahl, und als ich mir das Wahlergebnis angesehen habe, ging am Schluss ein Balken hoch mit zig ungültigen Stimmen. Da dachte ich mir: Wenn die die Möglichkeit gehabt hätten, ihr gültiges Kreuzerl zu machen, wären die in der ewigen Liste der Wahlergebnisse vorgekommen. Der Grundansatz war nicht, dass irgendjemand ins Parlament kommt. Der Ansatz war, dass jeder, der ungültig wählt, wenigstens das Gleiche wählt.

Hast du seit deinem Antritt als Neo-Politiker mehr Respekt vor Berufspolitikerinnen und -politikern?

Noch viel weniger!

Obwohl du gemerkt hast, wie schwer es ist, die Leute zu mobilisieren?

Die Politiker sind ja nicht das Problem, sondern alles, was im Hintergrund rennt. Die ganzen Berater zum Beispiel. Jetzt kommt das eh alles ein bissl hoch. Die an der Front sind das eine. Die, die sich im im Hintergrund bereichern, das andere.

Hättest du dich dem allem entziehen können?

Ich wäre dort nie hineingegangen, nie! Darum ist es mir nicht gegangen. Ich habe kein Interesse daran, mir mein Leben zu verschlechtern. Mit solchen Leuten will ich wirklich gar nichts zu tun haben. Das ist ein richtiges Drecksgeschäft.

Kabarettist, Schauspieler, Autor, Moderator, Politiker – quo vadis, Roland Düringer?

Hängt von den äußeren Umständen ab. Um die Jahrtausendwende, am Höhepunkt meines kommerziellen Erfolgs, habe ich mir folgende Frage gestellt: »Was ist, wenn es diesen kommerziellen Erfolg nicht mehr gibt?« Aus welchem Grund auch immer – weil sich niemand mehr für mich interessiert, weil ich es aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr kann oder warum auch immer. Wer oder was bin ich dann? Ich hab mir dann gesagt, dass es das Wichtigste ist zu wissen, wer ich selbst bin und was ich brauche. Kann ich mir ein Leben ohne diesen ganzen Klimbim vorstellen? Als ich gemerkt habe, dass mir dazu dieses und jenes fehlt, habe ich daran gearbeitet. Die letzten 15 Jahre habe ich sicherlich an meiner Daseins-Mächtigkeit sowie an meinen körperlichen und mentalen Fähigkeiten gearbeitet, keine Angst davor haben zu müssen. Das Mantra bei mir war jahrelang mehr, mehr, mehr. Ich wollte bessere Quoten, mehr Zuschauer im Publikum, höhere Einnahmen, mehr Motorräder und Autos. Ich habe gelernt, mit weniger zufrieden zu sein und Dinge loszuwerden, die ich mir in den ersten 25 Jahren meiner Karriere angehäuft habe. Das war schwieriger, als sie zu bekommen. Ich bin autark und damit meine ich vor allem mental. Damit ist die Frage hoffentlich beantwortet.

Lieblings-

Buch: Der Ruf der Stille (Michael Finkel)
Film: 1917
Song: Mister Magic (Grover Washington, Jr.)
Schauspieler/in: David Jakob, Julia Edtmeier
Motto: »Nix ist wichtig« und »Besser ein bissl zu langsam als ein bissl zu schnell« 
Autor/in: Erwin Chargaff
Serie: Black Mirror 
Stadt: Hardegg
Land: Niemandsland 
Gericht: Dinkelbrei 
Getränk: Wasser

Persönliches Mitbringsel

Das habe ich an. Die Zahlenkombination auf meinem T-Shirt ist die Schaltung am Motorrad. Dazu passend habe ich Fotos von mir am Motorrad mitgenommen. Ohne diese Begeisterung für Motorräder, von der ich nicht weiß, woher sie kommt, würden wir heute kein Interview führen. Was ich damit meine, ist in meinem aktuellen Programm »Regenerationsabend 2.0« zu hören. Ich schwöre: Es handelt sich um die essentiellsten Dinge, die mir in meinem Leben begegnet sind. Es geht nicht darum, dass ich ein Biker bin oder es sich um meine Lebenseinstellung handelt.
Roland Düringer samt Motorräder

Schönstes und negativstes Erlebnis der vergangenen Woche

Schönstes: Gemeinsam mit meiner Frau und meiner Tochter essen zu gehen. Das schaffen wir nicht so oft gemeinsam, zumal meine Frau nicht die Mutter meiner Tochter ist und meine mittlerweile 21-jährige Tochter immer irgendwo unterwegs ist. 

Negativstes: Lustigerweise war ich am selben Tag abends mit Leuten zusammen, die ich gut kenne und die ich teilweise auch als Freunde bezeichnen würde. Ich habe gemerkt, dass es allen – es war eine Gruppe von ca. zehn Leuten – nicht unbedingt gut geht. Alle standen unter Druck und hatten Angst, wie sie ihr Leben weiter finanzieren sollen. Gleichzeitig haben alle probiert, das zu überspielen, weil ja lustig Halloween war. Das Leid, das ich dort gespürt habe, war negativ.

Berufswunsch als Kind

Bauer

Wen wolltest du immer schon mal treffen?

Ironisch: Billy the Kid. Wenn ich den getroffen hätte – nämlich in die Brust –, wäre ich berühmt gewesen. Am meisten würden mich Menschen interessieren, die im siebenten oder achten Jahrhundert ein ganz normales Leben geführt haben. Da wäre ich gerne einmal dabei, um zu sehen, wie deren Leben ausgesehen hat.

Teenie-Schwarm

Mein erster und wichtigster Teenie-Schwarm war eine Honda CR 250 Elsinore. Und der zweite war die Susanne Schreiner aus der dritten Reihe. Blöderweise bin ich in der zweiten Reihe gesessen, und ich musste mich immer umdrehen, um sie anschauen zu können. Das war ein bissl auffällig.

Café-Bestellung

Pago Marille gespritzt

Ort des Interviews

Café Eiles
Bereits eines der ersten Talkaccino Interviews hat im Café Eiles stattgefunden, nämlich im Mai 2020, nach dem ersten Corona-Lockdown, mit Poetry-Slam-Organisatorin Diana Köhle. Und nun, nach über zweieinhalb Jahren, war es für das Gespräch mit Roland Düringer wieder so weit. Aufmerksame Leserinnen und Leser werden sich nun fragen, warum das Interview in keinem Café stattgefunden hat, in dem Talkaccino noch nicht Gast war. Die Antwort: Direkt nach dem Interview hatte das Programm »Regenerationsabend 2.0« nur wenige Meter weiter, im Kabarett Niedermair, Vorpremiere. Abseits dessen: Das Eiles bietet sich immer für ein gutes Gespräch an.