Ali Barber
Barbier & Herrenfriseur
Gesellschaft
27.06.2021
27.06.2021
Du sorgst mit deinen Dienstleistungen – Haarschnitten, Rasuren, Haarfärbungen – für ein modebewusstes Äußeres deiner Kunden. Auch bei dir selbst scheinst du großen Wert darauf zu legen.
Gemäß dem arabischen Sprichwort: »Wer etwas nicht besitzt, kann es nicht weitergeben!« Es ist wichtig, dass du etwas ausstrahlst, um es zu verkaufen.
Du willst also ein gutes Vorbild sein.
Natürlich. Die Leute nehmen von dir erst etwas an, wenn du es selbst verkörperst. Wenn ich mir von dir Geld ausborgen möchte, wie soll ich das machen, wenn du selbst keines hast? Wenn ich einen Rat zur Schönheit haben möchte, wie soll ich ihn bekommen, wenn du sie selbst nicht verkörperst?
Schönheit ist etwas sehr Individuelles.
Es gibt Menschen, die das Wissen besitzen, es aber nicht verkörpern. Es gibt Fitnesstrainer, die dir sagen können, wie du deinen Körper trainieren sollst, obwohl sie selbst nicht durchtrainiert sind. Dennoch weiß er über jeden Muskel Bescheid. Trotzdem wäre es besser, wenn er selbst trainiert wäre, um zu zeigen, dass das, was er sagt, auch funktioniert.
Ein Raketenwissenschafter ...
... muss selbst keine Rakete sein! (lacht)
Er muss die Rakete selbst nicht fliegen können.
Wenn er aber selbst dort hinfliegt, wohin er die Leute schickt, würden ihm diese Leute dennoch stärker folgen. Das ist zu 100 Prozent so! Ein anderes Beispiel: Ein Kommandant, der die Leute nur kommandiert und selbst nicht an der Front war, genießt sicherlich nicht den großen Respekt, obwohl alle seine Befehle befolgen müssen. Ich kann mein Geschäft als Chef leiten, als Barbier erkenne ich dennoch alle Details, die wichtig für einen Bart- oder Haarschnitt sind.
Im Film »Im Auftrag des Teufels« mit Al Pacino sagt dieser während der Schlussszene, dass Eitelkeit des Teufels liebste Sünde sei. Bist du des Teufels Advokat?
Nein. Ich hoffe, ich bin Gottes Repräsentant! (lacht)
Du spielst mit der Eitelkeit.
Natürlich. Wir streben alle danach, der Vollkommenheit näher zu kommen.
Wenn wir diese erreichen, können wir nur daran zerbrechen.
So ist es. Wir sind alle zerbrechlich, auch wenn wir stark tun. Egal, ob vom Körper, von der Mentalität oder vom Herzen her. Dennoch müssen wir der Vollkommenheit näher kommen.
»Wir sind alle zerbrechlich – egal, ob vom Körper, von der Mentalität oder vom Herzen her«
Wenn Leute zu dir kommen und sagen, sie möchten Frisuren wie die von Charlie Sheen oder Brad Pitt: Wie oft denkst du dir, dass sie bei der Beschaffenheit ihrer wenigen Haare froh sein können, deinen Barbershop überhaupt mit einer Frisur zu verlassen?
Ich bin bekannt für meine Ehrlichkeit. Ich nenne die Dinge beim Namen, aber höflich und ohne jemandem weh zu tun. Wenn mir jemand schildert, welche Frisur er möchte, sehe ich schon, ob das etwas werden kann oder nicht. Das ist vergleichbar mit einem Steinmetz. Der sieht den Stein und weiß, was er daraus machen kann. Wenn das, was der Kunde mir sagt, mit meinem Bild zusammenpasst, sage ich: »Hört sich gut an, das war auch meine Vorstellung.« Wenn er aber etwas ganz anderes sagt, wovon ich denke, dass es nicht funktionieren wird – wegen der Haarstruktur, der Haarlänge, der Haardichte –, sage ich ihm, dass wir das so nicht machen können, und erkläre es ihm. Wenn er ein Foto von der gewünschten Frisur dabei hat, sage ich ihm: »Der Mann auf dem Foto ist zwanzig Jahre jünger, die Haardichte ist eine andere, das ist anders und das auch. Ich kann dich ungefähr dorthin bringen, wir müssen aber mit dem arbeiten, was wir haben.«
Es gibt eine schöne Geschichte, die zeigt, dass es darauf ankommt, wie du etwas sagst. Ein Mann träumt davon, dass er alle Zähne, bis auf einen, verliert. Daraufhin geht er zu einem Traumdeuter. Der sagt ihm: »Deine ganze Familie wird sterben, nur du nicht.« Der Mann war geschockt und ging zu einem anderen Traumdeuter. Der sagt ihm: »Ich habe gute Nachrichten: Du bist der, der von deiner gesamten Familie am längsten leben wird.« Letzten Endes ist das Ergebnis dasselbe, aber wie er es gesagt bekommen hat, war komplett anders. Einmal war er geschockt und verzweifelt, einmal hat er Hoffnung geschöpft. Auch ich probiere, so mit den Menschen zu arbeiten.
Es gibt eine schöne Geschichte, die zeigt, dass es darauf ankommt, wie du etwas sagst. Ein Mann träumt davon, dass er alle Zähne, bis auf einen, verliert. Daraufhin geht er zu einem Traumdeuter. Der sagt ihm: »Deine ganze Familie wird sterben, nur du nicht.« Der Mann war geschockt und ging zu einem anderen Traumdeuter. Der sagt ihm: »Ich habe gute Nachrichten: Du bist der, der von deiner gesamten Familie am längsten leben wird.« Letzten Endes ist das Ergebnis dasselbe, aber wie er es gesagt bekommen hat, war komplett anders. Einmal war er geschockt und verzweifelt, einmal hat er Hoffnung geschöpft. Auch ich probiere, so mit den Menschen zu arbeiten.
Warum eigentlich ein Friseur nur für Männer?
Weil ich sonst mit der Hälfte meiner Kunden ausgehen müsste. (lacht)
Also hat die Entscheidung deine Frau getroffen.
Wir sind seit 21 Jahren verheiratet. Ich liebe sie sehr und sie liebt mich sehr. Wir haben drei Kinder und sind sehr glücklich. Die Frau bestimmt bei mir allerdings nicht! Ich bin der Mann – zu Hause, im Geschäft und überall, wohin ich gehe. Immer mit Respekt. Ich überschreite meine Grenzen nicht, und ich erlaube auch niemandem, die Grenzen zu überschreiten. Meine Frau hat einen sehr großen Spielraum und entscheidet sehr viel. Wenn sie nicht mehr weiterweiß und ein Problem hat, dann kommt sie zu mir. Dann sage ich: »Entspann dich, ich erledige das jetzt.« Jede Frau möchte einen starken Mann an ihrer Seite, und jeder Kunde möchte einen Barbier, der weiß, was er macht, um damit seine Probleme zu lösen.
Das heißt, du bist ein guter Barbier, weil du die Probleme deiner männlichen Kunden gut lösen kannst?
Ich bin auch ein sehr guter Damenfriseur! Ich kann das wirklich gut. Als ich geheiratet habe, war mein Gedanke, dass mir die Arbeit zu intim ist und ich daher Herrenfriseur werde.
Weil es sehr intim ist, wenn man den Kopf von jemandem berührt.
Du hast es verstanden! Viele sagen, dass das eine ganz normale Sache ist. Für mich ist es das nicht.
Macht ein Damenbart Damen smart?
Haben Damen überhaupt einen Bart?
Ein Fläumchen wird schon mal weggewachst.
Das ist ja etwas anderes. Wenn eine Dame einen Bart hat, ist sie keine Dame mehr.
Schon mal überlegt, auch Intimfrisuren anzubieten?
Nein.
Warum? Der Bereich sollte schließlich auch gepflegt sein.
(lacht) Ich bin dafür! Gute Ideen hätte ich auch, das kannst du mir glauben! (lacht) Aber nein, das wäre beschämend. Ich würde nicht wollen, dass so etwas jemand bei mir macht. Somit biete ich es auch nicht an. Das wäre mir peinlich. Wenn mir Haarewaschen bei Damen schon zu intim ist, wie sollte ich dann nach unten gehen? Es ist eine sehr intime Angelegenheit. Als Ehrenmann bearbeite ich solche Stellen nicht.
Wie hältst du es mit deinem eigenen Bart und deiner Frisur? Wie oft lässt du nachschneiden?
Sehr selten. Oft lasse ich meine Frau nachrasieren. Ich schnipsle selbst immer wieder herum. Von meinen Mitarbeitern lasse ich mich einmal im Monat nachschneiden. Manchmal dauert es auch sechs oder sieben Wochen.
Wie oft hast du dich schon bei deinen Kunden verschnitten und meintest im Nachhinein, dass das jetzt der »neueste und geilste Scheiß« ist und man das jetzt genauso trägt?
(lacht) Noch nie. Wenn man sich verschneidet, dann passiert das durch ein Missverständnis. Das passiert aber sehr selten. Wir haben eine Durchschnittszufriedenheit von über 99 Prozent. Wenn ich mich an einem Tag nicht in der Lage fühle, gut zu arbeiten, dann nehme ich mir frei.
Warst du während der Lockdowns solidarisch mit deinen Kunden und hast die Haare wuchern lassen?
Ich habe sie mir selbst geschnitten und das online über Facebook gezeigt. Es gab einen Online-Event von Freunden. Es wurden Cocktails gemacht, es wurde Yoga angeboten, und ich sollte zeigen, wie man sich den Bart und die Haare selbst schneiden kann.
Ich habe schon öfter überlegt, mir ein klassisches Rasiermesser zu kaufen, habe es bisher allerdings nicht gemacht, da ich mir bei meinen Handwerkskünsten wahrscheinlich selbst die Kehle aufschneiden würde. Daher jetzt die Frage an dich: Worauf ist bei einer klassischen Rasur, die man selbst zu Hause durchführt, zu achten?
Zwei Regeln sind wichtig: Die Haut gut spannen und nicht zu viel Druck mit dem Messer ausüben, sondern leicht führen. Die dritte Regel: Das Messer im Winkel von ca. 45 Grad oder etwas mehr ansetzen. Zuerst solltest du aber üben, zum Beispiel an der Handfläche oder an den Beinen. Dort übst du an der gespannten Haut, und du kannst gut lernen, das Messer leicht zu führen. So erkläre ich es meinen Kunden, wenn sie wissen wollen, wie es funktioniert.
Besser von oben hinunterführen oder von unten hinauf?
Am besten fängst du an, mit dem Haarwuchs zu arbeiten. Wenn jemand einen starken Bartwuchs hat, kann es passieren, dass die Poren aufspringen. Daher geben wir vor dem Rasieren immer eine heiße Kompresse hinauf. Damit ist die Haut warm und die Poren öffnen sich. Das wird in vielen Reinigungsprozessen – auch in der Kosmetik – so angewendet. Sobald sich die Poren geöffnet haben, kannst du besser arbeiten.
»Die Hippiezeit hat den Bart verschandelt«
Warum haben Barbiere die vergangenen Jahre eigentlich ein Revival erlebt? Vor einigen Jahren hatte man das Gefühl, dass der Beruf nur noch in alten Filmen zu sehen und sonst am Aussterben ist, weil sich jeder zu Hause selbst rasiert.
Vor zwei Jahren gab es einen extremen Trend, sich den Bart beim Friseur schneiden zu lassen. Daher haben sich viele entschieden, einen Barbershop zu eröffnen. Mittlerweile beruhigt es sich wieder. Man muss dazu sagen, dass die heutige Generation den Bart an sich nicht wirklich erlebt hat. Den gepflegten Bart meine ich damit! Man kannte ihn eher aus der Hippiezeit. Die Hippiezeit hat den Bart verschandelt! Das war in den 60ern und 70ern. Dann kamen die 80er mit Koteletten, und in den 90ern wollte keiner mehr diese Bärte sehen, sondern nur noch glatte Rasuren! Für die Leute war alles andere einfach nur noch ungepflegt. Wenn du dir allerdings Bücher von früher ansiehst, waren alle Bartträger. Kaiser Franz Joseph wäre heute ein Bartmodell! 2010 ging es dann wieder los in den orientalischen Ländern – breite, eckige Hipsterbärte. Dann wurde es vor zwei Jahren wieder kürzer. Dennoch: Der Bart wird als gepflegtes Äußeres bleiben!
Im ganz normalen Friseursalon, den wir alle kennen, wird während des Haareschneidens über Gott und die Welt geplaudert. Ist das in deinem Shop auch so? Schütten dir die harten Kerle ihr Herz aus?
Ich höre von Liebeskummer und von Geschäftsproblemen und wir philosophieren bei mir im Shop. Meine Kunden hören auch auf das, was ich sage, ohne mich jetzt selbst loben zu wollen. Wenn jemand zu dir kommt und dir etwas erzählt, hat das mit Respekt zu tun. Man ist würdig, sich gegenseitig etwas zu erzählen und sich dem anderen zu widmen. Rat zu geben bedeutet sehr viel.
Um abschließend nochmals kurz auf die anfängliche Prominenz zurückzukommen: Gibt es irgendeinen Promi, bei dem du selbst gerne einmal Hand anlegen würdest?
(lacht) In meinem Geschäft ist jeder ein VIP!
Lieblings-
Buch: Der Pate (Mario Puzo)
Film: Der Herr der Ringe, Der Pate
Song: Tuyo (Rodrigo Amarante)
Schauspieler/in: Robert De Niro, Al Pacino, Angelina Jolie
Motto: Hart, aber herzlich!
Autor/in: Paulo Coelho, Jorge Bucay
Serie: Die Unbestechlichen
Stadt: Venedig
Land: Libanon
Gericht: Wiener Schnitzel
Getränk: Soda Himbeere, Tee mit Honig
Film: Der Herr der Ringe, Der Pate
Song: Tuyo (Rodrigo Amarante)
Schauspieler/in: Robert De Niro, Al Pacino, Angelina Jolie
Motto: Hart, aber herzlich!
Autor/in: Paulo Coelho, Jorge Bucay
Serie: Die Unbestechlichen
Stadt: Venedig
Land: Libanon
Gericht: Wiener Schnitzel
Getränk: Soda Himbeere, Tee mit Honig
Persönliches Mitbringsel
Meine Ringe. Warum? Ich glaube, dass wir alle aus der Erde stammen und daher eine Verbindung zu ihr haben. Sie wirkt auf uns und wir wirken umgekehrt auch auf sie. Die Steine in meinen Ringen sind natürliche Steine aus der Erde. Die sind nichts Künstliches. Sie wirken auf die Seele. Ich weiß nicht, ob sie Energie laden oder entladen. Das Minimum, das ich sagen kann, ist, dass sie gut aussehen. Ich habe zu Hause ca. 60 bis 70 Ringe und bin auf der Mariahilfer Straße wahrscheinlich der einzige Mann, der sechs Ringe gleichzeitig trägt. (lacht)
Schönstes und negativstes Erlebnis der vergangenen Woche
Es gab weder ein positives noch negatives Erlebnis, an das ich mich erinnern könnte. Ich habe, Gott sei Dank, ein kontinuierliches und angenehmes Leben.
Berufswunsch als Kind
Da müsste ich meine Mutter fragen. Wahrscheinlich Cowboy oder Polizist. Ich wollte immer die Schwachen verteidigen und mochte Filme mit Helden sehr gerne.
Wen wolltest du immer schon einmal treffen?
Jesus. Dieser Mann fasziniert mich. Ich lese die Bibel, über die Offenbarung und das Ende der Zeit. Mich fasziniert viel von dem, was dieser Mann gesagt hat. Er war etwas ganz Besonderes, abgesehen von vielen anderen historischen und religiösen Idolen, die ich habe. Ich habe meine Tochter Mariam genannt, nach der Mutter von Jesus. Es ist schon faszinierend, was dieser eine Mann weltweit bewirkt hat. Religiös gesehen hat das natürlich auch unser Prophet. Wenn ich aber die Geschichte beider lese, sehe ich eine Person. Alle Wege führen zu Gott, aber jeder geht seinen Weg anders.
Teenie-Schwarm
Ich bin Moslem und war im Libanon in einer Privatschule, einer christlichen Klosterschule. Dort waren zwei Mädchen: Carla und Jennifer.
Restaurant-Bestellung
Ayran, Tee mit Honig, Soda-Zitron, gegrillte Hühnerstreifen
Ort des Interviews
Türkis
Das Türkis zählt mit 25 Filialen zu den großen Wiener Fastfood-Ketten. Was wenige wissen: Es handelt sich um einen Familienbetrieb mit eigener Backstube im 10. Wiener Gemeindebezirk. Gegründet wurde die Kette Anfang der 90er von der Familie Babayigit mit dem Ziel, gesundes und qualitativ hochwertiges Fastfood gepaart mit orientalischer Gastfreundlichkeit anzubieten. Für das Interview haben wir in der Stammfiliale von Ali Barber, auf der Mariahilfer Straße, Platz genommen.
Das Türkis zählt mit 25 Filialen zu den großen Wiener Fastfood-Ketten. Was wenige wissen: Es handelt sich um einen Familienbetrieb mit eigener Backstube im 10. Wiener Gemeindebezirk. Gegründet wurde die Kette Anfang der 90er von der Familie Babayigit mit dem Ziel, gesundes und qualitativ hochwertiges Fastfood gepaart mit orientalischer Gastfreundlichkeit anzubieten. Für das Interview haben wir in der Stammfiliale von Ali Barber, auf der Mariahilfer Straße, Platz genommen.
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