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Burlesque-Tänzerin Kalinka Kalaschnikow im Gespräch
 
       
       
Kalinka Kalaschnikow

Burlesque-Tänzerin

Kultur
21.03.2022
Wenn medial über Burlesque-Tanz berichtet wird, tauchen im selben Atemzug meist Bilder von Dita Von Teese, der Ex-Freundin des US-amerikanischen Schockrockers Marilyn Manson, im übergroßen Martini-Glas auf, während sie sich halbnackt darin rekelt. Wer allerdings glaubt, dass es die freizügige Kunstform des Burlesque-Tanzes nur in Übersee gibt, hat sich geirrt. Denn auch in Wien ist Burlesque seit über zehn Jahren präsent – sei es mittels einer eigenen Fortbildungsakademie oder mittels der Tänzerin und heutigen Interviewpartnerin Kalinka Kalaschnikow.

In Anbetracht des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine: Ist dein Künstlername, der in Anlehnung an das sowjetisch-russische Sturm- und Maschinengewehr ausgewählt wurde, noch passend? Dein Publikum will durch deine Shows wahrscheinlich vom Alltag und der Berichterstattung abgelenkt und nicht daran erinnert werden.

Meine Tagline ist »The Secret Weapon of Burlesque«. Ich bin auf der Bühne also etwas wilder, mit viel Energie. Daraus ist der Name entstanden. Ursprünglich wollte ich etwas süßes Französisches, was sich aber nicht wirklich passend angefühlt hat – ich bin nicht süß kokettierend wie eine Französin! Eine Sängerin aus Deutschland, Marla Blumenblatt, meinte, dass Kalinka Kalaschnikow passen würde – und zwar wie die Faust aufs Auge! Und seitdem fahre ich recht gut mit dem Namen, auch wenn Kalaschnikow immer wieder negative Schlagzeilen hat, wie jetzt beispielsweise. Dennoch werde ich bei meinem Künstlernamen, den ich seit über zehn Jahren habe, bleiben. Am Tag des Angriffs hatte ich einen Auftritt in Wien. Wir haben uns dazu entschieden, mich als »Miss Kalinka« anzukündigen, weil wir die Leute nicht unnötig an den Krieg erinnern wollten. In solchen Momenten kann man also variieren. Grundsätzlich finde ich das Spiel mit der Waffe aufgrund des Wilden gut und mag auch das Russische gerne.

Auf deiner Website ist zu lesen, dass Burlesque eine Geheimwaffe der Verführung ist. Was meinst du damit?

Es ist das Spiel mit den Reizen, um das Publikum einzufangen. Bei einem herkömmlichen Stripclub geht es darum, dass die Stripperin das Publikum anmacht und aufreizt – vor allem die Männer. Bei Burlesque passiert das eigentlich nebenbei. Wir stehen auf der Bühne, weil wir uns selbst geil finden und nicht weil wir irgendeinen Mann von uns überzeugen wollen.

Eine tänzelnde Domina?

Zum Beispiel. Du musst von dir selbst in deiner Weiblichkeit überzeugt sein, um Burlesque realistisch rüberzubringen. Wenn du um die Gunst des Publikums bettelst, hat das eine ganz andere Wirkung.

Warst du immer schon so überzeugt von dir?

Am Anfang ist man natürlich nervös. Es braucht schon Eier, um sich hinzustellen und zu sagen: »Schaut mich an, ich bin supertoll!« Du musst nicht von dir glauben, den besten Körper der Welt zu haben. Du musst das nötige Selbstbewusstsein haben und dich selbst so gut finden, wie du eben bist. Wenn du dich so akzeptierst, wirst du dich auch gut präsentieren.

Braucht es narzisstische Züge, um sich selbst geil zu präsentieren?

Haben sicher einige.

Du nicht?

Ich würde tatsächlich Nein sagen. Es geht nicht darum, der perfekte Superstar zu sein beim Burlesque. Man muss sich wohlfühlen, so wie man gerade ist. Es gehört dazu, zu akzeptieren, dass mein Hintern und mein Busen klein sind.

Da stehen doch sicher viele Männer drauf.

Wir machen das doch nicht für die Männer, du hast es immer noch nicht verstanden! (lacht) Es geht überhaupt nicht um Männer! 

Man steht doch auf der Bühne, um von anderen geil gefunden zu werden. Sonst könnte man ja auch hinter der Bühne stehen und sich selbst geil finden.

Wenn man sich selbst geil findet und dann auf die Bühne geht, ist das ein ganz anderer Beweggrund. Ich habe eine Show kreiert mit Musik und einer bestimmten Rolle und das möchte ich herzeigen. Es ist wie ein Schauspiel. Nur, dass der Schauspieler meist keine Entscheidungsgewalt hat, was er auf der Bühne alles machen kann. Beim Schauspiel gibt es ein Drehbuch und einen Regisseur. Beim Burlesque ist das anders, weil wir ein Mini-Theaterstück inszenieren. Ich überlege mir, was ich machen möchte und trete dann zum Beispiel als Clown auf, um jetzt nicht den klassischen Auftritt mit Martini-Glas zu nennen. Ich überlege mir dann, was für ein Clown das ist, wie der ausschaut, wie und zu welcher Musik er sich bewegt. Und natürlich auch: Wie zieht sich dieser Clown aus? Ich überlege mir das alles. Welche Story möchte ich rüberbringen? Möchte ich eine Message anbringen oder einfach nur schön aussehen? All das ist Burlesque und genau deswegen ist es so spannend! Du kreierst das alles selbst, ohne dass jemand anders ein Mitspracherecht hat. Und dann gefällt es dem Publikum hoffentlich. Wir machen schließlich Entertainment.
Kalinka Kalaschnikow beim Kaffee im Gespräch

Gab es schon Inszenierungen, bei denen du gemerkt hast, dass sie weniger gut angekommen sind. Beispielsweise weil das Publikum nicht den Clown, sondern die Lehrerin wollte?

Am Anfang ist es sicherlich mal passiert, dass es der falsche Act fürs Publikum war. Umso länger du allerdings dabei bist, desto besser weißt du, welche Fragen du stellen musst, wenn du gebucht wirst. Für eine dekadente Firmenfeier wirst du dich anders vorbereiten als für einen Abend mit Künstlern. Bei Künstlern würde ich mich für eine wildere Nummer oder den Clown entscheiden, bei einer Firmenfeier vielleicht mehr für Glitzer, Federn und Glamour. Bei einer Hochzeit würde wahrscheinlich ein Auftritt im Martini-Glas passen.

Warum denkt man bei Burlesque so stark ans Martini-Glas? Warum ist genau das in den Köpfen der Leute verankert?

Weil es ein super Bild ist! Dita Von Teese hat das natürlich geprägt. Woran die Leute bei Burlesque auch noch denken, sind die großen Federfächer.

Hatte Dita Von Teese auch Einfluss auf dich? Sie war vor ca. zehn oder fünfzehn Jahren stark in den Medien präsent, also deiner Anfangszeit.

Ich kannte Burlesque schon davor, auch wenn ich noch keinen Tau davon hatte. Ich komme eigentlich aus der Punkrock-Szene – Bettie Page und so. Als ich angefangen habe, gab es vielleicht gerade einmal drei YouTube-Videos davon. Wir haben damals begonnen, uns die Sachen selbst beizubringen.

Aber wie ist es dazu gekommen? Man muss es ja mal irgendwo sehen, um zu merken, dass es das bei uns noch nicht gibt.

Ich habe es irgendwo mal in einem Magazin gesehen als ich noch ein kleines Punkmädchen war. Mein damaliger Freund meinte, dass ich das auch machen soll, weil das urcool wäre. (lacht) Ich hab mich dann gefragt, wie ich das machen könnte. Einfach in ein Lokal gehen und sagen, dass sie mir Geld für Striptease geben, ohne dass es das wirklich ist ... schwierig. Wenn es niemand kennt, wie sollst du es dann verkaufen? Man ist für die Leute eine Stripperin, die sich nicht ganz auszieht. Verstanden hat das keiner. Ich musste also erklären, dass das Kunst ist. Diesen Unterschied muss man erst mal verstehen!

Kannst du neben Burlesque und Striptease die Unterschiede zu Gogo und Poledance erklären?

Bei Gogo bist du in irgendeinem Club und tanzt zu DJ-Musik. Es handelt sich dabei um Freestyle. Habe ich anfänglich auch gemacht, weil es nicht möglich war, nur durch Burlesque zu überleben, weil es noch so unbekannt war. Ohne Gogo-Jobs wäre es nicht gegangen, was für mich ganz schlimm war, weil die Musik überhaupt nicht meines ist. Die Bühnenerfahrung ist hingegen eine sehr gute, weil du improvisieren musst, je nachdem, was der DJ gerade spielt. Meinen Mädels empfehle ich, anfänglich Gogo zu tanzen. Man steht 15 Minuten am Podest und kann sich ausprobieren, ohne dass man im Fokus steht. Die Leute beobachten einen so nebenbei. 

Poledance ist einerseits Fitness und andererseits erotischer Stangentanz – je nachdem, wie du es anlegst. Wenn man es richtig macht, ist es tatsächlich ein Hochleistungssport, was mir persönlich viel zu anstrengend ist. Wenn man auf blaue Flecken steht, sollte man Poledance machen. (lacht) Es ist aber auch extrem schön zum Ansehen. 

Du trittst nicht nur in Shows auf, sondern bietest auch Burlesque-Workshops an. Als Teilnehmerin kann man unter anderem lernen, wie man sich vor dem Ehemann auszieht.

»How to undress in front of your husband« heißt der Workshop, den ich für Bachelorette-Partys anbiete. Es ist ein netter Gag, den man der Braut vor der Hochzeit schenken kann. Die meisten wollen keine Stripper mehr buchen. Den Workshop-Titel habe ich von einem Anleitungsvideo aus den 50ern, das ich irgendwo einmal online gefunden habe. Das war für die damals perfekte Hausfrau gedacht. Ich muss zugeben, dass ich solche Hausfrauenratgeber liebe, auch wenn ich selbst eine schreckliche Hausfrau bin. Ausziehen kann ich mich aber! (lacht)
Im Interview: Kalinka Kalaschnikow

Und wie zieht man sich nun sexy bzw. richtig vor dem Ehemann aus?

Das ist gar nicht so einfach, wie man es sich vorstellt! Es gibt total viel, was man nicht bedenkt, wenn man sich nicht im Spiegel beobachtet. Noch besser ist es, sich dabei zu filmen. Erst dann merkt man, dass das, was man macht, vielleicht gar nicht so gut aussieht. Es gehört also schon eine gewisse Technik und Kunst dazu. Es gibt viele sexy Arten, wie man sich ausziehen kann. Je nach Choreographie, Stimmung und Musik verläuft es anders.

Was sind die Basics, die zu beachten sind? Oder worauf achtest du, wenn du dich für deinen Ehemann ausziehst?

Was man beruflich macht, macht man zu Hause nicht. (grinst) Mein Freund sieht so viele Burlesque-Shows ... wenn ich zu Hause auch noch zu strippen beginnen würde, wäre das wahrscheinlich ein Overkill.

Und umgekehrt, was erwarten Frauen von Männern?

Es gibt wenige Männer, die Burlesque betreiben. Mein Tanzpartner Russel gibt Kurse, wenn auch selten. Der macht das echt gut. Einmal habe ich ihn sogar scherzhalber gefragt, ob er sich als Frau ausziehen könnte. Er hat daraufhin meine Sachen genommen und es getan. Ich war hin und weg und würde ihn sogar als Frau buchen!

Welche Tipps hast du für Männer und Frauen? Worauf ist zu achten?

Sich Zeit lassen und flirten – beides ist ganz wichtig! Der Kontakt zum Publikum muss hergestellt werden, also unbedingt in die Augen schauen, um die Aufmerksamkeit zu bekommen.

Wichtig ist wahrscheinlich auch zu zeigen, dass man die Situation im Griff hat und daher entscheidet, wie schnell es jetzt geht.

Ja, natürlich. Du musst es bewusst machen und dich nicht einfach mal nebenbei ausziehen.

Du fotografierst auch.

Ich bin Anfänger und kein Superprofi.

Und dennoch fotografierst du die Leute, wie Gott sie schuf, nämlich nackt.

Am liebsten nackt. Zum Aufwärmen in Wäsche, mit der Zeit werden sie dann aber alle nackt.

Auch wenn jemand ein Porträtfoto im Sakko möchte, sagst du: »Machen wir, aber danach alles runter.«

Na, na, na, das nicht, aber es passiert dann eben.

Was heißt, es passiert? Die Leute haben dann einfach den Drang, sich neben dir nackt auszuziehen?

Ich bin sehr überzeugend! Es passiert dann halt einfach.

Weil du anfängst, dich auszuziehen.

Nein, aber wenn mir heiß ist, ziehe ich ein paar Sachen aus. Komplett nackt bin ich dann nicht. Wenn es die Stimmung lockert, warum nicht? Zu mir kommt man nicht, wenn man ein Passfoto braucht – das wäre ja eigenartig. Könnte ich wahrscheinlich, wäre aber irgendwie fad. Die Damen kommen zu mir, weil sie etwas Sinnliches oder Erotisches wollen. Ein Skianzug ist da nicht eingepackt, sondern das Negligé. Und dass es dann weitergeht, ist eben eine natürliche Entwicklung.

Wirken Männer oder Frauen sinnlicher?

Ich glaube, Frauen können sich besser präsentieren, weil sie dazu erzogen wurden. Männer sind die Ernährer, die irgendwie funktionieren müssen. Frauen haben gelernt, sich anzubieten, und tun sich vor der Kamera auch leichter.

Weil Männer einfach plump sind?

Sie haben nicht so den Gedanken, sich hübsch präsentieren zu müssen. Das ist einfach so drin in denen. Wobei sich das mittlerweile auch ändert, wenn du dir die heutige Jugend ansiehst. Mit Insta-Stories und Selfies lernen die das mittlerweile auch.
»Frauen können sich besser präsentieren, weil sie dazu erzogen wurden«

Wenn man die Gastbeiträge zu deinen Workshops auf der Website der Burlesque-Akademie durchliest, liest man unter anderem davon, dass sich Teilnehmerinnen, nach den Kursen mit dir, schon lange nicht mehr so weiblich und sinnlich gefühlt haben. Wie fühlt sich weibliche Sinnlichkeit bzw. sinnliche Weiblichkeit an?

Sehr gut! (grinst) In der heutigen Zeit arbeiten wir alle wahnsinnig viel und es ist andauernd stressig. Frauen nehmen sich zu wenig Zeit, um sich mal hübsch zu machen. Während der Workshops hilft die Gruppendynamik sehr, um sich wieder weiblicher und schön zu fühlen. Für sich alleine schaut man sich in den Spiegel und achtet nur darauf, was alles nicht passt. In der Gruppe von zehn Frauen mit allen Altersgruppen hat jede ihr eigenes Problem und ihre eigene Unzufriedenheit dabei. Am Anfang gibt es Hemmungen, sich erotisch vorm Spiegel und vor anderen zu zeigen. In der Gruppe aber baut man sich gegenseitig auf! Und innerhalb des sechswöchigen Grundkurses ändern sich die Frauen extrem. Am Anfang tragen sie noch Leggings und am Ende fehlt sogar der BH. Jede Stunde werden sie freizügiger und fühlen sich im eigenen Körper wohler. 

Wird dieses neu gewonnene Selbstbewusstsein in den Alltag mitgenommen und gelebt?

Bei manchen bekomme ich das schon mit, weil sie weitere Kurse buchen und auch zu Burlesque-Shows kommen. Teilweise haben sich auch Freundschaften entwickelt. Wir haben schon sehr starke Veränderungen mitbekommen – von Jobkündigungen bis hin zum Verlassen des Freundes.

Viele Unsicherheiten kommen von Unzufriedenheiten, und Unzufriedenheiten kommen von Unsicherheiten. Egal ob im Job, in einer Beziehung, in der Familie oder innerhalb von Freundschaften.

Voll! Manchmal verwandelt sich eine graue Maus in jemanden, die auf einmal in Leopardenhose zur Arbeit geht. Früher hatte sie Angst davor. Wenn das jetzt nicht mehr so ist, dann ist es so und dann soll sie es doch so machen.

Kann den Partner auch verunsichern.

Ja, klar. Ganz vielen Beziehungen hat es aber auch gutgetan. Auf einmal will sie mit ihm zu Burlesque-Shows gehen, was sexy und super zum Anschauen ist für den Mann. Bei einem Paar war es sogar so, dass Burlesque zum gemeinsamen Hobby wurde und sie jetzt einen Tanzraum zu Hause haben. Es ist durchaus ein Hobby für die ganze Familie!

Für die volljährige Familie.

Ja ... na ja. Burlesque ist eigentlich jugendfrei. Wir ziehen uns nicht ganz aus und sind daher auch nie ganz nackt. Und vulgär sind wir auch nicht.
»Burlesque ist eigentlich jugendfrei«

Ist es schon vorgekommen, dass du aufgrund deiner aufreizenden Outfits nicht nur positive Blicke, sondern auch abwertende erhalten hast? Ich rede jetzt nicht von deinen Shows, sondern abseits der Bühne. Du scheinst gerne aufzufallen, auch jetzt im französischen Outfit mit roten Signalfarben.

Im Burlesque-Rahmen überhaupt nicht. Und das, was ich jetzt trage, ist nicht freizügig, sondern ein ganz normales Gewand, würde ich sagen.

Freizügig nicht, aber auffallend.

Ich bekomme das gar nicht mehr mit. Wenn ich mit Leuten unterwegs bin, bekomme ich schon gesagt, dass die Leute alle schauen. Pff, lass sie halt schauen, ist doch wurscht! Man weiß ja nicht, warum die Leute schauen. Vielleicht gefällt es ihnen, vielleicht nicht. Mir gefällt auch nicht jedes Outfit, das ich auf der Straße sehe. Wenn es mir nicht gefällt, schaue ich es mir halt nicht an. Während der Burlesque-Shows sind die Leute angetan von den Outfits. 70 Prozent unserer Gäste sind weiblich.

Warum sind es mehr Frauen als Männer?

Frauen lieben es, wenn Frauen sich stark auf der Bühne präsentieren – Glitzer, Glamour, sexy! Burlesque ist sehr divers, du siehst also alle Typen von Frau. Du musst nicht 20 Jahre alt sein und Modellmaße haben.

Kannst du dir vorstellen, mit 65 noch auf der Bühne zu stehen als Burlesque-Tänzerin?

Wenn ich Bock darauf habe, dann ja. Keine Ahnung, worauf ich dann Bock habe, aber prinzipiell: Ja, durchaus! Es gibt auch aktuell schon ältere Tänzerinnen.
»Ich habe gerne Körperkontakt mit meinem Publikum«

Für Verführung benötigt es zumindest zwei Personen – die verführende Person und die verführte Person. Im besten Fall ist es ein Tanz, bei dem man nicht weiß, welche Rolle man selbst einnimmt.

Beim Burlesque ist schon sehr klar, wer verführt. Dem Publikum wird nicht so die Möglichkeit gegeben, die Kontrolle zu übernehmen. Das wäre ja blöd, wenn ein Gast auf die Bühne hüpft und einfach mal die Rollen umdreht.

Du lässt dich in gewisser Weise von der Reaktion des Publikums verführen. Wenn du merkst, dass einzelne Showelemente ankommen, wirst du diese Reaktionen viel stärker mittels dieser Elemente evozieren im weiteren Verlauf der Show. Es ist ein Geben und Nehmen.

Natürlich lässt du dich beeinflussen! Ich mache auch sehr viel mit meinem Publikum. Ich gehe gerne hinein und habe gerne Körperkontakt mit meinem Publikum – immer gerade noch anständig!

Was ist anständiger Körperkontakt während einer Show, bei der man sich auszieht?

Sagen wir so: Sogar die Begleitungen sind positiv überrascht! Ich habe noch nie Schimpfe bekommen. (lacht) Ich picke mir halt jemanden raus und involviere die Person in die Show. Meist weiß ich danach nicht mal mehr, wer das war. Die Person fühlt sich dann als »der Auserkorene«, dabei ist er einfach nur gut gesessen. Ich brauch manchmal einfach jemanden, der eine Brille trägt oder eine Glatze hat.

Wann braucht man jemanden mit Glatze, wann mit Brille, um die Personen in die Show miteinbeziehen zu können?

Manchmal spiele ich eine Katze ...

... und leckst die Glatze ab.

Quasi, es ist dann ein Fake-Ablecken. Und eine Brille kann man gut klauen und jemand anders aufsetzen. Es sind einfach Spielereien. Bei manchen Shows bist du einfach nur auf der Bühne und erzählst eine Geschichte, bei anderen willst du, dass es locker und wild wird gemeinsam mit dem Publikum. Wenn du Party-Energie erzeugen möchtest, hilft es, wenn du Kontakt herstellst. Letztens bin ich von der Bühne auf einen Tisch im Publikum gesprungen und habe mir erst währenddessen überlegt: »Hoffentlich hat der Tisch vier Füße und nicht nur einen in der Mitte.« Stell dir mal vor, die Tänzerin fällt vom Tisch und landet im Essen! (lacht)
Talk mit lachender Kalinka Kalaschnikow

Um zur Verführung zurückzukommen: Sie ist nichts Einseitiges, sondern ein Austausch. Sie funktioniert am besten, wenn man bis zu einem gewissen Punkt geht und sie dann abgibt, ohne sie wirklich abzugeben.

Ja, klar, es ist dieses Gegenspiel. Beide müssen einverstanden sein. Einseitige Verführung wäre Belästigung. Wenn man sich verführen lässt, lässt man sich auf etwas ein.

Gibst du den aktiven Part gerne ab und lässt dich verführen?

Kommt drauf an. Manchmal so, manchmal so.

Wovon lässt du dich verführen?

Gott, von viel zu vielen Dingen! (lacht) Ich muss zugeben, dass ich eine Romantikerin bin. Damit bekommt man mich. Candle-Light-Dinner, romantische Musik in der Badewanne und solche Dinge ... darauf steh ich. Und auf Kleidung! Ein gut gekleideter Mann ist schon sehr toll!

Mann im Anzug?

Nicht zwangsläufig. Ich finde Cowboys auch super. Und Humor! Wenn ein Mann lustig ist, mag ich das, auch wenn es die Standardantwort aller Frauen ist.

Das ist nun wirklich eine Standardantwort.

Es ist aber so!

Ich habe noch nie ein Supermodel mit einem fetten Komiker gesehen.

Da müsste ich nachforschen. Ich kann mir jetzt nicht vorstellen, dass kein Supermodel was mit einem fetten Komiker angefangen hat. Müssen die außerdem dick sein?

Nein, aber in der Regel heißt es, der Mann soll lustig sein, und an der Seite der Frau ist dann dennoch ein durchtrainiertes Sixpack. Der kann natürlich auch lustig sein. Meist sind es aber keine Komiker, sondern Rockstars oder Fußballer, die als popkulturelle Sexidole gesehen werden.

Es gibt einige Komiker, die ich heiraten würde. Bill Burr oder Louis C. K. zum Beispiel.

Die haben eine Glatze. Da könntest du die Katze jeden Tag spielen.

Zu Hause muss ich das nicht machen, ganz ehrlich! (grinst)

Was ist Romantik?

Sinnliche Verführung.

Lieblings-

Buch: Die Kolonie (Chuck Palahniuk) 
Film: Natural Born Killers
Song: Closer (Nine Inch Nails) 
Schauspieler/in: Meryl Streep 
Motto: Geht nicht, gibt’s nicht. 
Autor/in: Chuck Palahniuk
Serie: Columbo
Stadt: Paris
Land: Holland
Gericht: Penne all’arrabbiata 
Getränk: Kaffee

Schönstes und negativstes Erlebnis der vergangenen Woche

Das Burlesque-Festival in Russland war gleichzeitig das schönste und negativste Erlebnis. Es war schwierig – der Hinflug, für die Veranstalter und die Rückreise – in Anbetracht der ganzen Situation. Die Stimmung war gedrückt und kurz vor Showbeginn habe ich erfahren, nicht mehr nach Österreich zurückfliegen zu können. Gleichzeitig haben mir Gäste geholfen, Züge und Busse für die Rückreise für mich zu buchen, weil meine Kreditkarten nicht mehr funktioniert haben. Es war auch alles wahnsinnig schnell ausverkauft. Ich meinte, dass ich mich nach der Show um die Rückreise kümmere. Alle meinten, dass ich das sofort machen muss, weil alle jetzt noch rasch schauen, wie sie zurückkommen. Es war aber auch ein irrsinnig schönes Erlebnis, weil sich so viele Leute gefreut haben, dass ich überhaupt an der Show festgehalten habe und aufgetaucht bin. Die Energie vor Ort bei der Performance war wirklich eine arge! Ich hab mein Ding gemacht und einfach reingehauen, nach dem Motto: »Jetzt zerlegen wir die Bude!« Die Leute waren großartig! Ein Mädchen, das ich erst dort kennengelernt habe, hat mich bei ihr aufgenommen, weil ich unverhofft länger bleiben musste. Sie hat mir die Stadt St. Petersburg gezeigt und mich dort herumgeführt. Es war ein Zwischenstopp, da ich mit dem Bus nach Helsinki bin. Mein Visum war bereits abgelaufen, da ich ja einen früheren Flug gehabt hätte. Ich hatte vor Ort weder Geld noch Internet und alle haben mir geholfen! Dieses Wochenende war ein ständiges Up-and-Down.

Berufswunsch als Kind

Ganz viele und ich wollte jeden Tag etwas anderes werden. Lange Zeit wollte ich Bäuerin werden. Finde ich immer noch gut. Ich arbeite daran und ziehe mich fleißig aus, damit ich mir einen Bauernhof leisten kann. (lacht)

Wen wolltest du immer schon mal treffen?

Auch wenn ich jetzt keinen Star nennen muss, denke ich automatisch an welche. Und ich glaube, dass ich keinen Star treffen möchte, weil man leicht enttäuscht werden könnte. Quentin Tarantino oder John Malkovich wären schon sehr spannend. Aber wirklich wollen tu ich das nicht. Ich bin ein schlechter Groupie und genieße lieber deren Kunst. Was die privat machen, ist mir komplett wurscht. Die Kunst muss man von der Person trennen.

Teenie-Schwarm

Jonathan Brandis von der Fernsehserie seaQuest DSV.

Getränk während des Interviews

Zwei Cappuccino mit Sojamilch

Ort des Interviews

Café Westend
Das Café Westend befindet sich direkt vis-à-vis vom Westbahnhof, Ecke Mariahilfer Straße 128 – und das bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts. Es bietet sich perfekt an, um vor oder nach einer Zugreise gemütlich Kaffee und Kuchen zu genießen oder sich abseits der shoppenden Massen mit Zeitung und Buch in eine gepolsterten Ecke zurückzuziehen. 2018 wurde es von der Wiener Kaffeedynastie Diglas übernommen und sanft renoviert – alt Angestaubtes wurde überarbeitet, stilvolle Klassik behutsam belassen.