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Komiker & Parodist Alex Kristan im Interview
 
       
       
Alex Kristan

Komiker & Parodist

Kultur
07.03.2022
Egal, ob Niki Lauda, Arnold Schwarzenegger, Toni Polster, Frank Stronach, Gerhard Berger, Andreas Herzog, Hans Krankl, Herbert Prohaska, Marko Arnautović, Hermann Maier oder Jogi Löw – Alex Kristan parodiert sie alle und noch viele mehr. Der gebürtige Mödlinger war vor seiner Bühnenkarriere als Motorsportjournalist und Brandmanager tätig. Nachdem sein damaliger Arbeitgeber Konkurs anmelden musste, hat er sich ein Jahr Zeit gegeben, um sein Talent des Parodierens so weit zu entwickeln, um nicht nur die Stimme, sondern auch Gestik, Mimik und Habitus diverser berühmter Persönlichkeiten nachzuahmen. Heuer feiert er seinen 50. Geburtstag sowie sein 20-jähriges Bühnenjubiläum.

Wir sitzen hier gerade im Stadtsaal und führen unser Gespräch circa 1,5 Stunden bevor du die Bühne betrittst. Andere Künstler würden vor einem Auftritt niemals ein Interview geben, sondern erst danach, wenn die Show vorüber ist. Also entweder ist unser Gespräch eine Ablenkung vorm Lampenfieber oder du bist eine Rampensau, die einfach auf die Bühne stürmt. Oder es ist eh egal, weil das Publikum schon bezahlt hat.

Dass es egal ist, weil das Publikum eh schon bezahlt hat, ist sicher nicht der Zugang. Lampenfieber plagt mich auch nicht. Ich würde es eher eine gesunde Konzentration nennen. Ich kenne Lampenfieber zwar, allerdings habe ich das eher vor Premieren, wenn der Text noch nicht so richtig sitzt. Das Programm vom heutigen Abend habe ich sicherlich schon über 200-mal gespielt. Ich freue mich also, weil ich mit dem Gefühl auf die Bühne gehe, das beste Publikum der Welt zu haben. Die Leute lieben mich und ich liebe sie. Damit bringe ich mich in eine gute Stimmung und daher habe ich auch kein Problem mit Interviews vor der Show.

Du sprichst vom »besten Publikum der Welt«, wobei es wahrscheinlich regionale Unterschiede geben wird, oder? In Wien müssen die Leute anders mit dem Schmäh gepackt werden als in Graz oder Bregenz.

Ja, klar, da gibt es merkbare Unterschiede. Manche Gags funktionieren im Westen nicht, in Wien dafür super. Wobei ich sagen muss, dass es in den allermeisten Fällen nicht am Publikum liegt, wenn ein Gag nicht funktioniert. Das liegt dann schon am Performer auf der Bühne. Entweder du erreichst die Leute oder nicht. Schlechtes Publikum gibt es also gar nicht. Das ist ja auch das Schöne an meinem Beruf, weil es diese extreme Unmittelbarkeit gibt – du bekommst sofort Feedback! Dieser Austausch, der stattfindet, ist extrem energetisch und atmosphärisch. Jeder Abend ist völlig einzigartig, weil jedes Publikum völlig einzigartig ist. Die Leute, die an dem einen Abend in dieser Konstellation zusammenkommen, werden aller Wahrscheinlichkeit nach in dieser Form nie wieder zusammenkommen. Daher liegt es an der Person auf der Bühne, die Leute bestmöglich abzuholen – und zwar dort, wo sie sind, und nicht, wo ich als Performer bin. Die Frage ist also, ob der, der auf der Bühne steht, spontan auf Begebenheiten eingehen kann. Wenn du rauskommst und die lachen schon, ohne dass du etwas gesagt hast, ist es wahrscheinlich etwas einfacher, als wenn du merkst, in der ersten Reihe sitzen sie mit verschränkten Armen. Tendenziell sehe ich im Publikum immer diejenigen, die ernst dreinschauen. Und dann frage ich mich, warum der jetzt nicht lacht! Kurzum: Am Publikum liegt es nicht, weil sich niemand eine Karte mit dem Vorsatz kauft, den auf der Bühne fertigzumachen.

Hast du während des Auftrittes dein Programm auch schon adaptiert, weil du gemerkt hast, dass das aktuelle Publikum anders reagiert als gedacht?

Ich ändere manchmal komplette Programmpunkte! Wenn ich merke, dass das Publikum auf ein bestimmtes Thema mehr anspringt, dann massiere ich diesen Punkt ein bissl. Diese Freiheit nehme ich mir schon. Das ist das Schöne als Solokünstler: Du bist, wie beim Free-Solo-Klettern, für niemand anderen verantwortlich außer für dich selbst. In einem Ensemble kannst du das nicht machen. Ich alleine kann hingegen machen, was ich will. Wenn es der Sache zuträglich ist, kann ich also auch einfach zu singen beginnen.

Harald Schmidt meinte einmal, dass die Arbeit erst beginnt, wenn das Publikum beim Stand-up nicht zu lachen beginnt.

That’s it! Godfather of Comedy, ich bin ein großer Fan von ihm! So komplex die Thematik der Komödie ist – sie gehört zu den schwierigsten Genres, denn Leute zum Lachen zu bringen ist deutlich schwieriger, als sie zu erschrecken –, so einfach ist die Antwort: Wenn die Leute lachen, hast du immer recht!
Im Gespräch mit Alex Kristan

Du bezeichnest dich auf deiner Website selbst als Komiker und Parodist. Warum nicht als Kabarettist und Stimmenimitator?

Für den Kabarettisten bin ich zu wenig politisch. Kabarett ist, meiner Ansicht nach, intrinsisch politisch. Das Politische bespiele ich deutlich zu wenig, als dass ich den Begriff »Kabarettist« reinen Gewissens führen könnte. Ich bin eher Humorist, Komiker, Parodist oder Comedian. Ich verwehre mich auch dagegen, das Wort »Comedy« billig zu machen. Es ist eine Unterhaltungsform, die sich gut etabliert hat.

Und Parodist bist du, weil eine Parodie deutlich über ein Stimmenimitieren hinausgeht?

Ja, weil beim Stimmenimitieren, für mich, das eindimensionale Nachäffen mitschwingt. Wenn wir auf die Mariahilfer Straße rausgehen und fragen, wie der Hans Moser gesprochen hat, werden wir von 20 Leuten wahrscheinlich zwei finden, die ihn nachmachen können. Parodien gehören hingegen zu den ältesten Stilelementen des Humors, wenn man sich in der Historie etwas umschaut. Meiner Meinung nach braucht es dafür schon etwas mehr, als nur die Stimme oberflächlich nachzumachen. Parodien haben mit Habitus, Gestik und Inhalt des Gesagten zu tun. Es geht um total vielschichtige Nuancen. Ich setze mich auf Details, die den Menschen oftmals gar nicht auffallen, die das Kraut allerdings wirklich fett machen. Beim Arnautović kann das ein Zwinkern sein, das er nebenbei macht. Da brauchst du nicht mal was sagen und trotzdem wird damit das Gesamtbild geformt. Erst dadurch wird es zur Parodie und geht über die Stimmenimitation hinaus.

Du meintest einmal: »Eine Parodie ist dann gelungen, wenn das Original noch darüber lachen kann.« Was sagst du zum Satz, dass Imitation die höchste Form der Anerkennung ist?

Eine Parodie ist grundsätzlich eine Form der Anerkennung. Parodiert wird nur jemand, der einen gewissen Status in der Öffentlichkeit hat. Wie weit man sich dabei hinauslehnt, ist immer des Künstlers Entscheidung. Ich für mich habe entschieden, dass die Grenze dort ist, wo die Betroffenen noch lachen oder zumindest schmunzeln können. Natürlich kann man auch viel weiter gehen und Menschen mit diesem Stilmittel diskreditieren. Wäre für mich aber ein bisschen zu eindimensional, weil das nicht dem Verständnis meiner Arbeit entspricht. Nur weil die theoretische Möglichkeit bestünde, muss ich die Person nicht gleich durch den Dreck ziehen. Das ist weder lustig noch notwendig. Ich hatte und habe mit den Leuten, die ich parodiere, ein relativ gutes Verhältnis. Warum jemanden mit dem Breitschwert rasieren, wenn die Person gar nicht anwesend ist? Gerade in der jetzigen Zeit braucht es ein Gegengewicht und eine Enthysterisierung, Entschleunigung und Entskandalisierung. Mit meiner Arbeit kann ich ein kleines Zeichen setzen, indem ich diese rote Linie nicht überschreite. Wenn man mit dieser Person während einer Diskussion auf der Bühne sitzt, ist es wieder etwas anderes. Aber dann kann sich diese Person auch verteidigen.

Jeder von uns kennt es, andere Leute nachzuäffen, zum Beispiel wenn man gerade miteinander diskutiert. Wenn es mit Argumenten nicht mehr geht, muss man dem Gegenüber manchmal einfach den Spiegel vorhalten. Wie oft passiert es, dass du im privaten Umfeld nicht nur nachäffst, sondern sogar in die Rolle des anderen schlüpfst?

Das kommt gar nicht vor. Meine Parodien haben in meiner Privatwelt so gut wie keinen Platz. Bei meiner Familie überhaupt nicht, und meinem Freundeskreis ist es, glaube ich, relativ wurscht, was mein Beruf ist. Der Bühnenmensch wird da überhaupt nicht thematisiert. Dort bin ich einfach der Alex. Wenn man so will, handelt es sich um meine Parallelwelt, in der ich niemanden parodiere. Irgendwann muss man die Bühnenfigur auch loslassen.

Es gibt Videos, in denen du mehrere Promis wie Arnold Schwarzenegger, Andreas Herzog, Toni Polster und Jogi Löw fließend abwechselnd parodierst und sie miteinander sprechen lässt. Diese Ideen werden vorab wahrscheinlich x-fach durchgespielt, um sie für die Bühne zu perfektionieren. Entwickelt man mit der Zeit eine multiple Persönlichkeit? Redest du mit dir selbst in unterschiedlichen Stimmen?

(lacht) Nein, ich rede nicht mit mir selbst. Was ich schon mache: Ich probiere Dialekte und Kunstfiguren aus. Wenn ich mir denke, dass im neuen Programm ein Landwirt oder ein Arzt vorkommen könnte, überlege ich mir, wie der klingen könnte. Ähnlich, wie man vor dem geistigen Auge eine Person visualisiert. Wenn ich in Parodiestimmen mit mir selbst reden würde, wäre das wahrscheinlich behandlungswürdig. (grinst)
Interview im Stadtsaal mit Alex Kristan

Laut deiner Website hast du aktuell 23 Persönlichkeiten im Repertoire. Wie oft kommen neue Stimmen dazu, wie oft legst du Parodien wieder zur Seite? Weil du die Stimme selbst vielleicht nicht mehr hören kannst, oder weil du merkst, dass sie beim Publikum nicht mehr so ankommt wie früher.

Ich lasse mich dabei treiben und lasse Stimmen, die neu ins Programm kommen könnten, auf mich zukommen. Ich fokussiere mich auf niemanden. Wenn ich merke, dass jemand die Grundvoraussetzung für eine Parodie hat, schaue ich mir an, ob ich mich annähern könnte und ob mich der Mensch persönlich interessiert. Wenn das so ist, schau ich mir an, ob ich das überhaupt zusammenbringe. Nicht jede Stimme ist gleich einfach oder schwer zu lernen oder zu parodieren. Und natürlich fallen auch Stimmen raus, wenn jemand stirbt, wie es bei Niki Lauda der Fall war. Er kann im Programm zwar noch auf pietätvolle Art und Weise vorkommen, aber auf meinen Social-Media-Accounts kann ich ihn dann nicht mehr bringen. Das ist stets situativ und aktuell. Eine Analyse vom WM-Finale zwischen Verstappen und Hamilton wäre natürlich aufgelegt und lustig gewesen. Mit meinem Verständnis von Respekt ist es aber nicht vereinbar, dass ich einen Toten aus dem Jenseits das WM-Finale in Abu Dhabi analysieren lasse. Wofür auch? Auf der Bühne kommt es wiederum auf die Art und Weise an, wie man es macht. Im aktuellen Programm hat er eine Sequenz von 30 bis 40 Sekunden. In der Zeit gebe ich ihm nochmals die Bühne, weil er einer der bekanntesten Österreicher war. Meistens wird das auch mit Applaus quittiert, weil die Leute merken, dass ich ihn nicht verarsche, sondern nur die Stimme hervorhole und ihm nochmals die Plattform gebe.

In gewisser Weise ist es dann auch eine Hommage.

Definitiv, das soll eine Parodie auch sein! Niki hatte eine extreme Freude, weil er einfach nicht gepackt hat, dass man jemanden eins zu eins so treffen kann. Er ist sicher eine meiner Paraderollen. Ähnlich wie beim Method Acting bei Lee Strasberg bist du dann diese Figur. Das war teilweise wirklich spooky. Wenn ich seine Sekretärin Sanja angerufen habe, konnte sie manchmal nicht sagen, ob es jetzt Niki war oder ich.

Bei deiner Parodie von Niki Lauda war es teilweise wirklich so, dass man, wenn man das Radio anhatte, nicht wusste, ob es bei manchen Aussagen nun er selbst war oder du. Eben weil Lauda ein Original war und Sager lieferte, wie man sie heute von immer weniger Leuten hört.

Absolut, genau das sind die Grundvoraussetzungen für eine Parodie – nämlich, dass Sager geliefert werden! Abgesehen vom Bekanntheitsgrad ist es wichtig, dass die Person etwas zu sagen hat. Das war bei Niki der Fall. Er hat sich für nichts und niemanden verbogen. Wenn er meinte, dass etwas so und so ist, dann war es eben so. Damit war er ein offenes Buch, aus dem du als Parodist ohne Ende aus dem Vollen schöpfen kannst.
»Irgendwelche Penisfotos vom Herrn Schmid, Chats und Postenschacher muss ich mir wirklich nicht geben«

Du meintest vorhin, dass du kein politischer Komiker bist und daher eben auch kein Kabarettist. Wäre es für dich momentan schwierig einzusteigen? Aktuell fehlt das Kantige in der Politik. Haider, Pröll und Häupl waren Charaktere.

Das Kantige fehlt überall, nicht nur in der Politik! Diese Gleichmachungstendenzen der aktuellen Zeit verhindern den Individualismus. Die von dir genannten Namen waren extreme Charaktere! Wenn man sich die Arbeit von Kollegen wie Daniel Sattler oder Gernot Kulis ansieht, merkt man, dass es trotzdem geht. Nehammer und Mückstein sind parodierbar. Die Frage ist nur: Will ich mich damit auseinandersetzen? Für gute Politsatire musst du in die Materie eintauchen. Ich bin gezwungenermaßen politisch interessiert, weil es mich als Steuerzahler unmittelbar betrifft. Je tiefer du allerdings eintauchst, desto mehr kommst du drauf, dass das ein extremes Dirty Business mit extrem negativen Vibes ist. Leiwande Energie ist da keine unterwegs. Ich verbringe mit meinen Programmen drei bis vier Abende in der Woche und zusätzliche Zeit mit der Recherche. Ich habe überhaupt keinen Bock darauf, mich mit der Scheiße auseinanderzusetzen. Das muss ich dir leider in aller Klarheit sagen. Irgendwelche Penisfotos vom Herrn Schmid, Chats und Postenschacher muss ich mir wirklich nicht geben. Wenn erklärt wird, dass Atomenergie nun grün ist, was willst du da satirisch noch überhöhen? Da mache ich lieber Alltagskomik, um den Spiegel hinzuhalten.

Bist du dann froh, dass Kollegen wie Florian Scheuba und Thomas Maurer diesen Part übernehmen, oder bewunderst du sie dafür, dass sie so so tief in die Scheiße tauchen?

Zweimal ja! Ich bin extrem froh, dass sie diesen Part übernehmen. Man kann da gar nicht tief genug reingreifen. Wenn die Satire eine Aufgabe hat, dann die, dass sie Unzulänglichkeiten bis zur Kenntlichkeit zu entstellen hat. Auf humoristische Art und Weise soll gezeigt werden, was eigentlich abgeht. Thomas und Flo machen das hochqualitativ, und es ist extrem wichtig, dass sie diesen Part übernehmen! Ich für mich traue mich aber zu sagen, dass ich darin nicht gut wäre, weil ich es nicht gerne mache. Und wenn du etwas nicht gern machst, machst du es automatisch nicht gut.

Jerry Seinfeld meinte einmal, dass Comedians die Wirklichkeit dekodieren, um sie für die Menschen so wieder zusammenzusetzen, dass gezeigt wird, was eigentlich gerade abgeht.

Ich habe mal folgenden geilen Satz gelesen: Satire ist Humor, der die Geduld verloren hat. Das trifft es ziemlich gut. Wie auch immer man es macht: Die Leute sollen am Abend nicht das Gefühl haben, dass ich ihnen einen weiteren Kübel Mist über den Kopf lehre, den sie eh schon den ganzen Tag über die Medien vorgesetzt bekommen. Wir lesen und hören die ganze Zeit, dass es uns noch nie so gut gegangen ist wie jetzt. Wenn du eine Umfrage machst, wird die subjektive Wahrnehmung eine andere sein. Die Zeit und die Medien sind viel schneller geworden. Du hast die ganzen Social-Media-Plattformen, auf denen du permanent mit irgendetwas getriggert wirst. Mach das, mach das nicht, sag das, sag das nicht, das ist korrekt, das ist nicht korrekt. Dadurch gibt es eine kollektive Erschöpfung. Mein Bestreben ist daher, den Leuten eine gute Zeit zu vermitteln. Sie wollen nicht, dass ich ihnen das Ganze hochwürge, wiederkäue und ihnen nochmals auf den Tisch speibe. Sie wollen sich einfach mal amüsieren und zwei Stunden aus dem Alltag rausgerissen werden, um ihre Sorgen zu vergessen. Wenn jemand zwei Stunden unbeschwert lachen konnte und mit besserer Stimmung geht, als er gekommen ist, reicht mir das, und mein Job ist damit erledigt. 
»Satire hat die Aufgabe, Unzulänglichkeiten bis zur Kenntlichkeit zu entstellen«

An wem hast du dir die Zähne ausgebissen? Wen hast du nie geschafft zu parodieren, obwohl es vom Charakter eigentlich aufgelegt gewesen wäre?

Da gibt es ein paar. Ein grundsätzliches Element einer Parodie ist der Bekanntheitsgrad, also wenn ich die Person nicht erklären muss. Den ORF-Sportanchor Rainer Pariasek kennt eigentlich jeder. Gleichzeitig bietet er aber relativ wenig Angriffsfläche. Auch Marcel Hirscher hat relativ wenig, mit dem man ihn parodieren könnte. Ich hab’s probiert, bin aber immer wieder in den Hermann Maier abgerutscht. Der hat definitiv etwas, das ihn parodierfähig macht. Es gibt also durchaus Persönlichkeiten, die 100 Prozent Bekanntheitsgrad haben, die ich aber nicht schaffe zu parodieren.

Frank Caliendo, Aries Spears, Jamie Foxx in den USA oder Max Giermann in Deutschland sind großartige Stand-up-Comedians mit dem Talent, Stimmen nahezu perfekt imitieren zu können. Wie sehr schaust du dir als Parodist etwas von internationalen Kollegen ab?

Definitiv! Wenn man sich die Klaus-Kinski-Parodie von Max Giermann beim Deutschen Fernsehpreis ansieht, sieht man Perfektion. Wenn ich mir diesen Auftritt anschaue, würde mir keine Nuance auffallen, die man verbessern könnte. Ich maße mir auch nicht an, in meiner Arbeit Perfektion liefern zu können, weil immer Luft nach oben ist. Ich frage mich nach jeder Show, was gut und was schlecht war. Ich überlege, wie konzentriert ich war, ob das Sprechtempo gepasst hat und wie ich die Pausen gesetzt habe. Da gibt es immer etwas zu lernen. Jeden Kilometer auf der Bühne wirst du sicherer, womit jeder Abend auch eine Art Training ist. Wenn ich mir Auftritte von 2012 ansehe und sie mit welchen von 2021 vergleiche, merke ich, dass sich manche Elemente auf der Bühne verbessert haben. Wenn ich gefragt werde, was man tun muss, um Comedian oder Kabarettist zu werden, sage ich: »Auf die Bühne gehen und spielen!« Jeder Kilometer auf der Bühne ist ein gewonnener Kilometer. Es ist ähnlich wie beim Motorradfahren. Nach drei Doppelstunden erhältst du den A-Schein, kannst deswegen aber noch nicht Motorrad fahren. Du darfst es, kannst es aber erst nach 30.000 Kilometer. Und in Wirklichkeit kannst du es dann auch noch nicht. Wenn du bei einem Rennen siehst, was die Profis können, denkst du dir: »Ich fahr lange, aber nicht gut.«

Hast du die Erfahrung gemacht, dass du nach Jahren auf der Bühne von einem sehr erfahrenen Kollegen auf die Seite geholt worden bist mit den Worten: »Du bist gut, aber achte mal auf auf dieses oder jenes, dann bist du richtig gut!«?

Absolut! Ich habe beim Kabarettgipfel mit Lukas Resetarits zusammengearbeitet. Lukas hat schon Kabarett gespielt, als ich noch in den Windeln gelegen bin. Ich betrachte ihn irgendwie als Papa der Kabarettszene. Oder, um es künstlerisch zu sagen: Er ist der Doyen! Natürlich lasse ich mir von ihm etwas sagen. Beim Kabarettgipfel wurde gesungen, was ich nicht kann, und er sagte zu mir: »Herst, Burli, warum kannst du nicht singen?« Ich meinte, dass ich es einfach nicht kann, und er daraufhin: »Das Schöne ist, dass es niemand von dir erwartet. Wenn jemand einen singen hören möchte, geht er nicht zu dir, sondern zum Rolando Villazón oder zum Michael Bublé. Bei dir wollen sie lachen! Scheißegal, ob du den Ton triffst oder nicht, versuch es einfach und sing!« Er hat mir dann einige leiwande Tipps gegeben, die ich nach seinen damals 27 Bühnenprogrammen dankend angenommen habe. Nur weil ich seit ein paar Jahren auf der Bühne herumturne, maße ich mir nicht an, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Es gibt immer etwas zu lernen und das werde ich mir in zehn Jahren auch noch sagen lassen.
Talk mit Alex Kristan im Wiener Stadtsaal

Zu deiner Anfangszeit – du hast 2002 begonnen, dein Talent zum Beruf zu machen – hattest du Angst, dass die Leute nur die berühmten Stimmen hören möchten, aber nicht dich als Komiker. Wie war es für dich, mit der Zeit mehr und mehr von dir selbst zu zeigen?

Als ich gemerkt habe, dass die Leute das mögen, ist es mir gut damit gegangen. Der Schritt dorthin und die Hürde zu überspringen war aber eine sehr große Überwindung für mich. Von 2002 bis 2010 bin ich ausschließlich als Stimmenimitator aufgetreten und habe es mir in einer Art Komfortzone bequem gemacht. Ich dachte, dass es schon passt, wenn ich wie Lauda oder Herzog rede und die Leute dabei lachen. Meine Managerin und einige Kollegen mit Soloprogramm meinten, dass es jetzt mal Zeit für ein Soloprogramm von mir wäre. Ich habe ihnen geantwortet: »Ich glaube nicht, dass sich jemand zwei Stunden anhören möchte, wie ich Stimmen imitiere.« Daraufhin meinten sie, dass das ja nicht notwendig sei und ich etwas von mir zeigen soll. Davor habe ich mich richtig angeschissen, weil ich mir dachte: »Wer will mich reden hören?« Ich wusste schon, dass irgendetwas Lustiges an mir sein muss, weil ich ja gemerkt habe, dass Leute lachen, wenn ich von lustigen Erlebnissen erzähle, die mir passiert sind. Es ist aber schon nochmal etwas anderes, ob ich vor Freunden und Familie lustig bin oder ob ich vor Leuten spiele, die mich nicht kennen. Davor ist mir die Muffe gegangen! Andererseits ist mir nichts anderes übrig geblieben. Die Frage war: Will ich auf ewig der Stimmenimitator sein oder will ich irgendwann einmal in der österreichischen Kabarettszene ernst genommen werden?

Und wie war es mit der Zeit für dein privates Umfeld, beispielsweise für deine Frau, als du begonnen hast, private Erzählungen in humoristisch überhöhter Art und Weise in deine Programme einfließen zu lassen? Es gibt in einem deiner Programme eine Szene, in der sie dich zu einer Veranstaltung mitnimmt und du dich komplett betrinkst.

Die Leute, die mich wirklich gut kennen, wissen, was erfunden ist und was davon tatsächlich erlebt wurde. Das Publikum weiß es zum Glück nicht und das ist auch gut so! Es ist schließlich eine Show und keine Doku. (grinst) Mir ist das schon recht, wenn nach dem Programm darüber gesprochen wird, ob ich tatsächlich mit dem Geländewagen in das Gemüsebeet gefahren bin oder nicht. Vielleicht hab ich’s gemacht, vielleicht nicht. Ist ja auch egal. Ein Zauberer verrät seine Tricks auch nicht. Damit wäre die Illusion zerstört. Je mehr Bilder im Kopf des Zuschauers entstehen und je schriller die Farben sind, in denen ich die Bilder male, desto wurschter ist es, ob es stimmt oder nicht. Es ist einfach lustig. Am Ende des Tages geht es darum, ob man sich amüsiert hat oder nicht.

Das heißt, es war noch nie jemand aus dem privaten Umfeld beleidigt oder ang’fressen?

Nein. Meine Frau sowieso nicht, weil die hat mich ja als das, was ich bin, kennengelernt. Die weiß ja ...

... worauf sie sich eingelassen hat.

Richtig. Die ganze Szenerie lebt ja von der Überhöhung, Überzeichnung und Übertreibung. Natürlich stimmt nicht alles, was ich auf der Bühne erzähle. Die Leute lachen, und damit ist der Pfeil dort, wo er hingehört. Man holt die Leute dort ab, wo sie sind, weil sie manche Erlebnisse von zu Hause kennen. Wir begegnen uns damit auf Augenhöhe, weil ich nicht besser bin.

Vor deiner Zeit auf der Bühne hast du als Motorsportjournalist und Brandmanager gearbeitet. Hättest du diesen Weg weiterverfolgt, wärst du dann einfach langweiliger als heute – Stichwort: Bürojob –, oder wäre es in den jeweiligen Büros einfach deutlich lustiger?

Dort, wo ich gearbeitet habe, war es sehr lustig! Der Satz, was ich dort eigentlich mache, weil ich ja auf eine Bühne gehöre, ist nicht einmal gefallen. Das war für mich dann halt immer so, als wenn jemand bei einem Käfigkickerl sagt, dass ich zu Real Madrid gehöre, nur weil ich ein bisserl Gaberln kann. Dass sich das dann tatsächlich so gefügt hat, war sicherlich eine große Portion Glück. Es hat aber auch dazugehört, dass es Menschen gab, die an mich geglaubt haben. Ich bin nicht einfach wohin gegangen und habe gesagt: »Huhu, ich bin’s, da Lustige!«, sondern habe oft gesagt bekommen, dass mein eigentlicher Job der des Komikers oder Kabarettisten ist.

Udo Jürgens hat einst folgende Zeile gesungen: »1.000 Jahre sind ein Tag.« Du feierst dieses Jahr dein 20-jähriges Bühnenjubiläum. Wie sind diese 20 Jahre in einem Satz zusammenzufassen?

Gelebte Berufung, weil ich dort bin, wo ich hingehöre, und das mache, was ich am besten kann – nämlich Leute zum Lachen zu bringen.

Lieblings-

Buch: Die Kunst des lässigen Anstands (Alexander von Schönburg) 
Film: GoodFellas
Song: By the way (Red Hot Chili Peppers)
Schauspieler/in: Robert De Niro, Gary Oldman, Al Pacino
Motto: I was made for laughing you, baby. 
Autor/in: Sebastian Fitzek
Serie: Vikings, House of Cards, Narcos 
Stadt: Paris
Land: Österreich 
Gericht: Italienisch 
Getränk: Bier

Persönliches Mitbringsel

Ein kleines Schweinchen mit lustiger Hintergrundgeschichte. Mein lieber Freund und Kollege Fifi Pissecker hat mir bei meinem ersten Soloprogramm 2012 dieses Glücksschwein geschenkt, das mich seitdem begleitet und auf Tour immer mit dabei ist.
Glücksschweinchen von Alex Kristan

Schönstes und negativstes Erlebnis der vergangenen Woche

Schönstes: Ein gut gezogener Carvingschwung auf der Piste! (lacht) Und natürlich in ausverkauften Häusern zu spielen, was nach zwei Jahren künstlerischer Durststrecke, aus beruflicher Sicht, eine der schönsten Erfahrungen ist. 
Negativstes: Ich hatte einen Schnupfen. 

Berufswunsch als Kind

Profifußballer

Wen wolltest du immer schon mal treffen?

Harald Schmidt. Wir haben uns zwar schon getroffen, konnten uns aber nur ganz kurz unterhalten. Mich mit ihm länger auszutauschen wäre schon spannend. Er fasziniert mich sehr, weil er einerseits ein hochintelligenter Mensch ist und andererseits ein extrem schlagfertiger Mensch. Er ist einfach ein begnadeter Entertainer. Aus deutschsprachiger Sicht ist er schon auf einer Augenhöhe mit Jimmy Fallon und Jay Leno, was Late Night angeht. Man sieht, wie hoch die Latte liegt. Es gibt keine vergleichbare Show mehr im deutschsprachigen Raum. Es wird immer wieder mal probiert, aber Dirty Harrys Schuhe scheinen doch etwas zu groß zu sein.

Teenie-Schwarm

Samantha Fox

Getränk während des Interviews

Espresso und Mineralwasser

Ort des Interviews

Stadtsaal
Das Interview mit Alex Kristan wurde kurz vor seinem Auftritt mit dem Programm »Lebhaft« im Stadtsaal Wien geführt. Seit 2011 finden in der Location, welche sich direkt auf der Mariahilfer Straße befindet, regelmäßig Kabaretts, Lesungen, Comedyshows und Konzerte statt. Vor und nach den Auftritten sowie in den Pausen kann man es sich im Gastrobereich, der sich in zwei Bereiche aufteilt, gemütlich machen. Für warme und kalte Speisen ist gesorgt und die Getränke können sogar mit in die Vorstellungen genommen werden.