Marcus Zobl
Projektionskünstler
Kultur
10.11.2020
10.11.2020
Wie kommt man auf die Idee, ganze Gebäude mit Licht zu »verpacken«?
Ich habe Bildhauerei studiert und komme daher von der bildenden Kunst, also vom Plastischen. Ich hatte ursprünglich keine Ambitionen, mich visuell oder grafisch zu äußern. Das war für mich immer nur eine Vorstufe fürs Dreidimensionale. Allerdings habe ich viel mit Fotografie gearbeitet und hatte immer eine Affinität zu Dia-Apparaten. Während des Studiums hatte ich das Bedürfnis, mir mehrere dieser Gerät zuzulegen und damit zu experimentieren. Es gab damals noch keinen Photoshop am Computer. Ich habe daher mit Haaren, Leim, Farbe, gebrochenen Spiegeln und allem Möglichen herumprobiert. In der Nähe von meinem Atelier habe ich dann im Donau, einer Bar, Panoramaprojektionen im gesamten Raum projiziert. Damit habe ich vor 25 Jahren im Underground begonnen. Das war legendär!
Wenn man mit unterschiedlichen Techniken und im Underground experimentiert, spielen dann andere Substanzen auch eine Rolle, wenn es darum geht, visuelle Ideen zu entwickeln?
Drogen?
Zum Beispiel.
Ist definitiv nicht notwendig. Ich lebe mein Leben komplett fernab dieser Sachen, auch wenn wir sicherlich extrem wilde Zeiten gehabt haben und viele Experimente gemacht haben. Du musst dir Folgendes vorstellen: Du bist der Erste bei einer Location und der Letzte, der rausgeht. Du baust also auf und ab, verkabelst ...
... das ist aber schon die konkrete Umsetzung! Wenn man jetzt wirklich rein an den kreativen Prozess denkt: Wie kommt es zu den Visuals, die einen wirklich umhauen?
Für einen kreativen Prozess gibt es unterschiedliche Ansätze. Das Wesentlichste ist, dass man sich eingestehen sollte, dass man aus Fehlern lernen kann. Ich bin der Meinung, dass unerforschte Dinge, nach denen man sucht, nicht unbedingt in einem Rausch durch irgendwelche Substanzen herbeigeführt werden müssen. Die kreative Tätigkeit an sich ist ja schon sehr berauschend. Das Experimentieren ist sehr wichtig. Welche Mittel jeder Künstler dafür einsetzt, ist aber völlig unterschiedlich. Ich persönlich habe mich von der Szenerie, die sich künstlich in Rausch versetzen muss, sehr schnell verabschiedet, weil das menschlich sehr schwierige Bereiche sind.
Zur Anfangszeit war es also schon Thema.
Ich bewege mich in allen Kreisen, was aber nicht heißt, dass ich überall mitmache. Das wäre ja schlimm! Wir haben Projektionen für Königshäuser gemacht, aber auch schon für die Kette einer renommierten Pornodarstellerin. Das heißt aber nicht, dass ich auf Viagra im Eck herumhüpfe! (lacht) Mit der Thematik an sich setzt man sich dann aber schon auseinander.
Wie darf man sich die Vorbereitung für eure Projekte vorstellen? Jedes Gebäude ist hinsichtlich seiner Fenster, Fassaden, Farben, Materialien etc. anders beschaffen.
Das ist ganz unterschiedlich. Es wird passgenau auf die Architektur projiziert. Wir bauen die Architektur in 3D nach und empfinden die Standorte der Projektoren nach. Wir wissen dann, dass in circa 30 Metern Entfernung ein Projektor mit dieser und jener Optik steht. Wir bauen die Visuals virtuell nach, teilen das auf die Projektoren auf und später wird das mittels einer Software über einen Medienserver wieder zu einem Bild zusammengebaut.
Zum 75. Geburtstag von Hermann Nitsch habt ihr sein Museum, passend zu seiner Kunst, vollständig mit Blut bespritzt.
Genau, das war eine statische Großbildpanoramaprojektion, die mein Kollege Tim Schmelzer realisiert hat.
Hat ein bisschen wie die Filmkulisse von einem Vampirfilm ausgesehen.
Filmkulissen haben wir auch immer wieder gemacht, ja. Ist auch naheliegend. Da muss man nur von der Bildrate her aufpassen, weil das technisch nicht immer kompatibel ist.
Welches Motiv würdet ihr gerne einmal auf welches Gebäude projizieren – gibt es da einen speziellen Wunsch?
Für mich war es spannend, eine gewisse Größendimension zu überschreiten. Wir haben zum Beispiel auf Gebäude projiziert, die über 200 Meter hoch sind. Wir hatten auch spannende Projekte, die über Entfernungen umgesetzt wurden – zum Beispiel eine Projektion über eine Fläche von über 2,5 Kilometern Meer. Sowas hat mich immer gereizt, weil es Herausforderungen waren.
Gibt es ein Projekt, das dein Herz höherschlagen lässt, bei dem dein Verstand allerdings sagt, dass das nicht möglich ist?
Es gibt wenige Projekte, die man gar nicht umsetzen kann.
Zum Beispiel?
Letztes Jahr war ein Projekt über einen See von einem Berg aus angedacht. Aufgrund der natürlichen Gegebenheiten, in dem Fall von sehr viel Nebel in der Region, war es nicht möglich, über diesen See etwas zu projizieren. Man hätte eine Plattform auf dem See errichten müssen, die allerdings sehr wackelig gewesen wäre. Das hätte also keinen Sinn gemacht, weil man so viele Eventualitäten mitbedenken und umsetzen hätte müssen. Das wäre nicht zu rechtfertigen gewesen.
Was wäre, wenn visionäre Unternehmer wie etwa Richard Branson oder Elon Musk sagen, dass sie nicht nur in den Weltraum möchten, sondern eine Nacht lang den Mond umgestaltet erleuchten lassen wollen?
So eine ähnliche Anfrage hatten wir schon einmal. Soweit ich mich erinnern kann, ging es darum, einen Buchstaben – nämlich ein »M« – zu projizieren.
Für Marvel.
Das wäre schon wieder spannend gewesen! Es hat sich ein bissl um ein Hirngespinst gehandelt, weil die Projektion von der Erde aus angedacht war. Dafür hätte ein eigenes Objektiv kreiert werden müssen. Von der Idee her also schon ein spannendes Projekt, aber ohne künstlerisches Niveau. Es hätte nur ein Logo projiziert werden sollen.
»Wir wollen nicht bloß das Sichtbare wiedergeben, sondern das Unsichtbare erscheinen lassen«
Ihr arbeitet auch mit Künstlern zusammen, die die Motive für eure Projektionen kreieren.
Ja, wir haben oft viele Projekte gleichzeitig und arbeiten daher auch mit weiteren Künstlern zusammen. Die Kreationen kommen von uns selbst. Wir erarbeiten Storyboards und Mockups und besprechen diese dann immer wieder gemeinsam. Es ist als Prozess zu verstehen, in dem sich das wirkliche Resultat erst am Schluss zeigt. Wir wollen also nicht bloß das Sichtbare wiedergeben, sondern das Unsichtbare erscheinen lassen. Ein Künstler ist jemand, der eine Idee hat, experimentiert und Neuland erforscht.
Gibt es Künstler, mit denen du gerne zusammenarbeiten würdest? Beispielsweise, Banksy-Bilder großflächig, zeitlich begrenzt inszenieren?
Ich habe für mich den Konsens gefunden, dass das, was wir machen, keine freie Kunst ist, weil wir extrem viel für Unternehmen arbeiten. Wir sind halt einfach Projektionstypen für unterschiedliche Fachrichtungen. Wir haben beispielsweise historische oder medizinische Projektionen gemeinsam mit Forschungseinrichtungen gemacht. Sowas reizt mich extrem!
Wir hatten schon auch hochkarätige Künstler, von denen wir auch wertvolle Kunstwerke in die Hände bekommen haben. Aber jetzt rein ein Werk von einem Künstler zu projizieren ... da können wir auch gleich nur ein Logo an die Wand werfen, weil der kreative Input von uns dann halt wieder nicht sehr groß ist.
Für uns wird es interessant, wenn es heißt: Das ist das Objekt, lasst euch dazu etwas einfallen!
Wir hatten schon auch hochkarätige Künstler, von denen wir auch wertvolle Kunstwerke in die Hände bekommen haben. Aber jetzt rein ein Werk von einem Künstler zu projizieren ... da können wir auch gleich nur ein Logo an die Wand werfen, weil der kreative Input von uns dann halt wieder nicht sehr groß ist.
Für uns wird es interessant, wenn es heißt: Das ist das Objekt, lasst euch dazu etwas einfallen!
»Ich habe das Gefühl, dass es dieses Freisein als Mensch nicht wirklich gibt«
Wenn ihr komplett freie Hand von einem Auftraggeber bekommt: Habt ihr dann den Anspruch, dass es künstlerisch wirklich kreativ sein muss, oder steht eine Provokation im Vordergrund, um damit die höchste Reichweite zu generieren?
Das Schwierigste ist, den Konsens zu finden, was nun »frei« wirklich bedeutet. Das ist eigentlich nur gegeben, wenn wir bei einem Lichtfestival tatsächlich etwas für uns machen. Meist wird dann trotzdem etwas erwartet. Ich habe das Gefühl, dass es dieses Freisein als Mensch nicht wirklich gibt. Man ist immer an irgendwelche Modalitäten, Techniken oder Umgebungen gebunden. Es gibt Magistrate, es gibt das Thema »Lichtverschmutzung«, es gibt zeitlich und örtlich unerwünschte Projektionen.
Die Künstlerin Kinga Jakabffy meinte im Interview, sie hätte es geschafft, wenn ihre Werke einmal im Tate in London ausgestellt würden. Wann wärt ihr auf eurem ganz persönlichen Kunst-Olymp angekommen?
Auf dem österreichischen Kunst-Olymp werde ich nie ankommen mit unserer Tätigkeit. In anderen Ländern sind wir diesbezüglich schon angekommen – in der Schweiz werden wir hoch gefeiert! Erst letztens gab es dort einen Artikel, dass zwei Wiener das Parlament in Bern erleuchten.
Persönlich gesehen muss ich gar nicht auf den Olymp aufsteigen. Die Projektionsgeschichte hat sich zufällig ergeben – vor 25 Jahren, in einem Lokal. Dort habe ich zigtausende Designs erschaffen, die in den Augen und Köpfen der Leute geblieben sind – da habe ich von vielen Menschen extremstes Feedback bekommen. Das war für mich gewaltig. Ich kann dort immer noch machen, was ich will – völlig frei!
Persönlich gesehen muss ich gar nicht auf den Olymp aufsteigen. Die Projektionsgeschichte hat sich zufällig ergeben – vor 25 Jahren, in einem Lokal. Dort habe ich zigtausende Designs erschaffen, die in den Augen und Köpfen der Leute geblieben sind – da habe ich von vielen Menschen extremstes Feedback bekommen. Das war für mich gewaltig. Ich kann dort immer noch machen, was ich will – völlig frei!
Lieblings-
Buch: Der kleine Prinz (Antoine de Saint-Exupéry)
Film: Koyaanisqatsi
Song: Da kann ich keine klare Ansage machen. Ich höre gerne Mouse on Mars, Squarepusher und John Cage. Ich höre gerne elektronische Musik, klassische Musik, Jazz und Crossovers.
Schauspieler/in: Ich kenne so circa keinen einzigen Namen von Schauspielern. (lacht) Ich frage dann immer meine Frau.
Motto: Carpe diem!
Autor/in: Aldous Huxley
Serie: Queen of the South, Tehran
Stadt: Wien
Land: Indien
Gericht: Käsespätzle
Getränk: Braun mit Zucker – damit meine ich aber keinen Kaffee, sondern eine Limonade.
Film: Koyaanisqatsi
Song: Da kann ich keine klare Ansage machen. Ich höre gerne Mouse on Mars, Squarepusher und John Cage. Ich höre gerne elektronische Musik, klassische Musik, Jazz und Crossovers.
Schauspieler/in: Ich kenne so circa keinen einzigen Namen von Schauspielern. (lacht) Ich frage dann immer meine Frau.
Motto: Carpe diem!
Autor/in: Aldous Huxley
Serie: Queen of the South, Tehran
Stadt: Wien
Land: Indien
Gericht: Käsespätzle
Getränk: Braun mit Zucker – damit meine ich aber keinen Kaffee, sondern eine Limonade.
Persönliches Mitbringsel
Ich habe einen Pin von der UNO mit. In New York gab es die Agenda 2030, bei der 17 globale Nachhaltigkeitsziele besprochen wurden, die von allen UN-Mitgliedsstaaten bis zum Jahr 2030 umgesetzt werden sollen. Wir wurden vom World Data Forum beauftragt, Projektionen in Bern dazu zu machen. Von dort habe ich diesen Pin mitgenommen. Ich finde es wichtig, die Welt in einer gewissen Ordnung zu hinterlassen, und daran sollten wir alle arbeiten.
Schönstes und negativstes Erlebnis der vergangenen Woche
Schönstes: Das Schönste am Menschsein ist die Interaktivität zwischen Menschen. Daher waren die schönsten Erlebnisse der letzten Wochen sicherlich die, die ich mit meiner Familie teilen konnte.
Negativstes: Selbst die unangenehmsten, negativsten Erfahrungen können letztendlich dazu führen, dass man sich weiterentwickelt. Durch die Corona-Krise erlebt unsere Berufsgruppe eine sehr kritische Phase. Ich sehe es allerdings als Geschenk, zurückgeführt zu werden in Zeiten, in denen man die Möglichkeit hat, seine Arbeit zu hinterfragen – wie es am Beginn im Atelier war, wo man Dinge gemacht hat, ohne Leistungsdruck ein Produkt liefern zu müssen. Daraus schöpfe ich viel positive Energie.
Negativstes: Selbst die unangenehmsten, negativsten Erfahrungen können letztendlich dazu führen, dass man sich weiterentwickelt. Durch die Corona-Krise erlebt unsere Berufsgruppe eine sehr kritische Phase. Ich sehe es allerdings als Geschenk, zurückgeführt zu werden in Zeiten, in denen man die Möglichkeit hat, seine Arbeit zu hinterfragen – wie es am Beginn im Atelier war, wo man Dinge gemacht hat, ohne Leistungsdruck ein Produkt liefern zu müssen. Daraus schöpfe ich viel positive Energie.
Berufswunsch als Kind
Abgesehen von Feuerwehr, Polizei und Konsorten: Musiker oder bildender Künstler. Das war kein Wunsch, das war ein voller Drang!
Wen wolltest du immer schon einmal treffen?
Platon in einer Höhle
Teenie-Schwarm
Ich hatte eine eigenartige Pubertät mit Jack Kerouac und William S. Burroughs. (lacht) Ich habe also sehr schräge Literatur gelesen und hatte auch sehr schräge Freunde. Ich hatte also eher Idole im Underground statt Schwärme.
Café-Bestellung
Melange und Himbeerkracherl
Ort des Interviews
Café Clementine
Das Café Clementine befindet sich direkt vis-à-vis vom Kurpark in Baden bei Wien. Übernommen und renoviert wurde es von den aktuellen Eigentümern im Jahr 2011, wobei der klassische Stil der Wiener Kaffeehäuser beibehalten wurde. Namensgebend war übrigens nicht die süße Frucht, sondern die Operettensängerin Clementine Sukfüll.
Das Café Clementine befindet sich direkt vis-à-vis vom Kurpark in Baden bei Wien. Übernommen und renoviert wurde es von den aktuellen Eigentümern im Jahr 2011, wobei der klassische Stil der Wiener Kaffeehäuser beibehalten wurde. Namensgebend war übrigens nicht die süße Frucht, sondern die Operettensängerin Clementine Sukfüll.
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