Yasmo
Rapperin & Slam-Poetin
Kultur
21.09.2020
21.09.2020
Du wirst dieses Jahr 30, stehst also bereits die Hälfte deines Lebens auf der Bühne. Fühlst du dich damit zum alten Eisen gehörend?
Auf jeden Fall! (lacht) Ich durfte viel lernen und zähle mich damit auf jeden Fall zum alten Eisen. Ich werde auch so behandelt, was mir taugt. Die Slam-Community ist riesig, autonom organisiert, alle kennen sich, haben sich lieb und nennen sich »Slamily«. Früher und auch heute noch gibt es bei Großveranstaltungen, wie beispielsweise Meisterschaften, folgende Regel: Die Älteren bekommen ein Einzelzimmer und die Jüngeren müssen sich die Zimmer teilen. Mittlerweile werde ich auch immer in ein Einzelzimmer gesteckt, was mir ganz gut passt, weil ich mich schon sehr alt fühle. (lacht)
Fragen dich die Jungen, wie dein Verlauf war und welche Tipps sie sich von dir holen können, oder wollen und brauchen die das gar nicht?
Es ist so eine Mischung. Aber was wir Älteren schon sagen, ist, dass sie schon nachfragen sollen. Das ist einer der wichtigsten Ratschläge, die einem aber nie beigebracht werden. Wenn du dich nicht auskennst, aber etwas lernen willst, dann frag! Es ist nicht peinlich, eine Frage zu stellen. Mit diesem Mindset kommen die Jüngeren dann schon und fragen, wie dies und jenes ist, wie man auf das Level kommt, wie man davon leben kann und was man dafür machen muss. Oder auch wie man schreibt und ob man generelle Tipps hat. Das beantworte ich dann immer sehr gerne.
In deinem Song »Useless Information« rechnest du mit der Entwicklung der Rap-Musik ab. In den 80ern und 90ern ging es darum, gesellschaftliche Missstände zu thematisieren, seit dem Jahr 2000 mehr um Selbstdarstellung in Form von Ego und Materialismus. Wie wird deiner Meinung nach die nächste Entwicklungsstufe aussehen?
Ich glaube, da sind wir jetzt schon ein bisschen. Wobei es auch Entwicklungen gibt, die ich eher als Phase sehe, wie zum Beispiel »Cloud Rap«. Das wird, glaube ich, keinen Bestand haben. Was ich allerdings schon glaube: Rap hat als Subkultur gestartet und den Weg in die Kommerzialisierung gesucht, was sehr amerikanisch und kapitalistisch ist, weil es mit der Zeit zu einem reinen Business geworden ist. Es hat sich also entwickelt von einer Zeit, in der zehn Leute im Kreis gestanden sind, gebeatboxt und gerappt haben, zu einer Zeit mit vollen Hallen und einem Rattenschwanz von Labels, Management und Mogulen mit Fashionlabels. Durch diese Größe verstreut es sich immer mehr. Und damit wird es wieder kleiner, weil es viel mehr Mikrokosmen gibt und geben wird – Jazz-Rap, Trap oder möglicherweise auch Cloud Rap. Es vermischt sich also immer mehr mit anderen Musikgenres. Auch wenn das Hip-Hop immer schon gemacht hat, war es früher eher das Sampeln, und jetzt rappen auch Leute, die Musik studiert haben. Das gab es früher nicht. Es wird damit breiter und kommt damit auch im Pop an.
»Mieze Medusa ist eine große Mentorin für mich«
Wer sind deine Vorbilder, wer hat dich beeinflusst und mit wem würdest du gerne einmal auf der Bühne stehen?
Auf der Bühne stehen will ich unbedingt einmal mit Beyoncé. Die hat mich in dem Sinne beeinflusst, dass ich in den 90ern das erste Album von Destiny’s Child hatte und damit Fan geworden bin. Ich habe also die ganze Entwicklung von ihr mitbekommen. Diesen Weg von der Girl-Pop-Band zum Pop-Sternchen hin zum Politischen finde ich großartig! Sich die Machtposition zu erarbeiten und dann draufhauen auf Themen und darauf aufmerksam machen, in dem man sie sichtbar macht. Insofern würde ich gerne einmal mit ihr auf der Bühne stehen und dann wahrscheinlich in Ohnmacht fallen. Das wäre es mir allerdings wert! (lacht)
Ansonsten hat mich Mieze Medusa, die die Slam-Szene in Österreich im Grunde aufgebaut hat, sehr beeinflusst. Sie ist eine Person, die intersektionalen Feminismus lebt und nicht nur darüber redet, dass jetzt das Patriarchat gestürzt werden muss. Sie arbeitet aktiv daran, jungen Frauen Selbstbewusstsein zuzureden. Meine ersten beiden Alben sind auf ihrem Label erschienen. Ich wusste überhaupt nicht, wie das alles funktioniert. Sie ist sicherlich eine große Mentorin für mich. Sie hat das ungefragt für mich gemacht, was ich wirklich toll finde.
Ansonsten hat mich Mieze Medusa, die die Slam-Szene in Österreich im Grunde aufgebaut hat, sehr beeinflusst. Sie ist eine Person, die intersektionalen Feminismus lebt und nicht nur darüber redet, dass jetzt das Patriarchat gestürzt werden muss. Sie arbeitet aktiv daran, jungen Frauen Selbstbewusstsein zuzureden. Meine ersten beiden Alben sind auf ihrem Label erschienen. Ich wusste überhaupt nicht, wie das alles funktioniert. Sie ist sicherlich eine große Mentorin für mich. Sie hat das ungefragt für mich gemacht, was ich wirklich toll finde.
Zwischen Poetry-Slam und Rap-Musik findet sich irgendwo wahrscheinlich das Format des »Battle Rap« wieder, in dem es darum geht, sich mit improvisierten Texten Gehör zu verschaffen und sich gegen Mitbewerber auf der Bühne durchzusetzen. Wie gut bist du im Improvisieren, im spontanen Jonglieren von Wörtern?
Ich habe mit Freestyle angefangen. Ich habe die Freestyle-Sessions im Wiener »Einbaumöbel« mitbegründet, aus sehr eigensinnigen Gründen: Ich wollte einen wöchentlichen Hip-Hop-Output und -Input haben! Insofern war ich einmal eine richtig gute Freestylerin. Battle Rap mochte ich nie und habe ich auch nie wirklich gemacht. Ein-, zweimal bin ich aufgetreten, was eh lustig war, aber in Wirklichkeit war das nichts für mich.
Wo finden aktuell in Wien oder österreichweit ähnliche Veranstaltungen statt?
Gute Frage! Das weiß ich leider selber nicht. Bis vor ein paar Jahren gab es noch die Freestyle-Sessions im »Einbaumöbel«. Allerdings haben die, glaube ich, vor drei Jahren oder so aufgehört. Ansonsten gibt es zum Beispiel das Dreistil-Event im »The Loft« mit Freestyle, a capella und Gesang. Weitere fallen mir allerdings nicht ein, was auch daran liegt, dass ich mittlerweile selbst so viele Abendveranstaltungen habe, dass ich kaum noch andere besuchen kann. Wenn jemand zu Slams gehen will, kann ich das Kosmos Theater oder den Textstrom-Slam mit Mehrsprachigkeitsschwerpunkt empfehlen. Das sind Veranstaltungen, die ich mitveranstalte. Auch FOMP kann ich empfehlen. Die machen Workshops, Poetry-Slams und ähnliche Veranstaltungen im mündlichen Literaturkosmos.
Was sagst du zum Satz, den Falco einmal bemühte: »Nichts ist tiefer als die deutsche Sprache und nichts ist seichter als die deutsche Rede«?
Sehr schön! Die deutsche Sprache ist sehr, sehr tief. Ich glaube allerdings, dass die englische Rede noch seichter ist. Rein aus technischer Sicht, wenn man an Rhythmik, Reime und Verflechtung von Sprache denkt. Wobei die deutsche Rede schon auch tief sein kann. Es kommt halt darauf an, was man sagt.
Ist leicht automatisch seicht?
Natürlich nicht, aber es ist dem schon näher dran. Bei »seicht« denke ich mir, dass Mehrdeutigkeiten im Englischen schwieriger herzustellen sind als im Deutschen. Und damit kann man halt schon eine Tiefe herstellen. Die Verdichtung ist ein deutschsprachiges Element. Aber: Vielleicht ist das alles auch einfach eine Lüge!
Du hast im Lauf deiner Karriere auf kleineren Bühnen gestanden, bist aber auch schon in Institutionen wie dem Porgy & Bess, bei den Amadeus Austrian Music Awards oder dem Falco-Tribute-Konzert am Donauinselfest 2017 aufgetreten. Wenn du dich entscheiden müsstest: Freiluftbühne mit zigtausenden Fans oder kleiner, abgefuckter Club mit familiärem Publikum?
Da werde ich immer die kleine Bühne nehmen. Die große Bühne ist toll, aber es ist mir dann eben doch lieber, wenn ich vor fünf Leuten lese oder spiele. Weil die eben da sind, weil sie es wirklich hören wollen, im Vergleich zu einem Stadion, in dem drei Viertel eher herumgrölen und nur ein Viertel wirklich zuhört. Das macht schon etwas von der Dynamik her. Am liebsten wäre mir natürlich alles, weil es unterschiedliche Bühnen, Stimmungen und Dynamiken sind. Daraus entwachsen auch unterschiedliche Figuren. Die Yasmo auf der großen Bühne ist eine andere als die Yasmo, die in der Kneipe nicht mal auf der Bühne steht, weil es dort keine gibt. Und dazwischen ist alles möglich. Die Unterschiedlichkeit ist schon spannend.
Gibt es Künstler, die du auf der kleinen Bühne extrem mochtest und von denen du dann auf der großen Bühne enttäuscht warst?
Ja, auch wenn ich keine Namen nennen werde. Es gibt aber Künstler, die noch nicht bereit für eine große Bühne sind. Die können die große Bühne dann noch nicht füllen. Das hat nichts mit dem Publikum zu tun. Das kann voll besetzt sein, wenn wir als Beispiel eine gratis Open-Air-Veranstaltung hernehmen.
Du hast letztes Jahr das Wiener Popfest kuratiert. Wie bist du an die Auswahl der Künstlerinnen und Künstler herangegangen?
Das haben Mira Lu Kovacs und ich gemeinsam gemacht, und wir waren uns relativ schnell einig, wen wir haben wollen und wer wohin passt. Weil: Ein DJ-Act mit einem MC passt jetzt nicht gerade auf die große Bühne. Das wäre schon ein bisschen wirr. Die 12-köpfige Band passt ja auch nicht in den kleinen Raum. Lou Asril haben wir zum Beispiel auf die große Bühne gestellt, weil wir wussten, dass der das ausfüllt. Der hat so eine Bühnenenergie, den kannst du überallhin stellen. Es kommt auch auf den Stil an. Eine E-Gitarren-Band wirkt in einem verschwitzten Raum anders als Open Air, wo sie vielleicht aber nicht hinwill und wo sie sich vielleicht auch nicht wohlfühlt. Das merkt man dann halt sofort.
Kannst du dir vorstellen, in der Jury einer Casting-Show zu sitzen?
Damit würde ich mir extrem schwer tun, auch wenn ich es mir vorstellen kann und mir zutraue, es gut zu machen, weil ich gelernt habe, Feedback zu geben. Das passt dann aber wahrscheinlich weniger in solche Shows.
Poetry-Slam, Hip-Hop und Jazz-Rap haben deine vergangenen 15 Jahre geprägt. Wohin geht’s in den kommenden 15 Jahren?
Die Klangkantine wird es auf jeden Fall weiterhin geben. Wir haben erst ein Crowdfunding gemacht, um das nächste Album finanzieren zu können. Literarisch werde ich mir vielleicht andere Gefilde anschauen. Und musikalisch habe ich mit meinem Alter Ego Miss Lead aus Süd-London ein weiteres Projekt.
Lieblings-
Buch: Kann ich nicht beantworten, da gibt es einfach zu viele.
Film: This is the end.
Song: I’m here (Soundtrack vom Film »The Color Purple«)
Schauspieler/in: Nancy Mensah-Offei
Motto: Tausend Liebe!
Autor/in: Zadie Smith
Serie: The Fresh Prince of Bel-Air
Stadt: Wien
Land: United Kingdom
Gericht: Lasagne
Getränk: Weißer Spritzer, Soda-Zitron
Film: This is the end.
Song: I’m here (Soundtrack vom Film »The Color Purple«)
Schauspieler/in: Nancy Mensah-Offei
Motto: Tausend Liebe!
Autor/in: Zadie Smith
Serie: The Fresh Prince of Bel-Air
Stadt: Wien
Land: United Kingdom
Gericht: Lasagne
Getränk: Weißer Spritzer, Soda-Zitron
Persönliches Mitbringsel
Das habe ich leider vergessen! Aber ich hätte ein gesammeltes Werk von Schiller aus dem Jahr 1805 mitgenommen. Es stammt aus seinem Todesjahr. Das ist das stolzeste Ding, das ich habe!
Schönstes und negativstes Erlebnis der vergangenen Woche
Schönstes: Ich war in Berlin und bin bei einer Jazz-Slam-Veranstaltung aufgetreten zum Thema »30 Jahre Wiedervereinigung in Deutschland«. Dort sind auch Bas Böttcher und Dalibor Marković aufgetreten. Das Schönste war, denen zuzuhören.
Negativstes: Das schlimmste oder zachste Erlebnis ... da muss ich überlegen. Hm, ich glaube, mir ist nichts Schlimmes passiert oder es ist schon in der Verdrängung gelandet. (lacht)
Negativstes: Das schlimmste oder zachste Erlebnis ... da muss ich überlegen. Hm, ich glaube, mir ist nichts Schlimmes passiert oder es ist schon in der Verdrängung gelandet. (lacht)
Berufswunsch als Kind
Ich wollte immer schon auf die Bühne.
Wen wolltest du immer schon einmal treffen?
Friedrich Schiller
Teenie-Schwarm
Jude Law und Will Smith.
Café-Bestellung
Soda-Zitron
Ort des Interviews
Café Orient
Das Café Orient befindet sich in der Neubaugasse 59, 1070 Wien. Es kann als klassisches Hipster-Café mit Bodenständigkeit oder als bodenständiges Café mit Hipster-Charme beschrieben werden. Neben dem Gastro-Besuch mit vielfältiger Speise- und Getränkekarte bietet sich das Orient auch für kulturelle Ausflüge wie beispielsweise Ausstellungen oder Konzerte an.
Das Café Orient befindet sich in der Neubaugasse 59, 1070 Wien. Es kann als klassisches Hipster-Café mit Bodenständigkeit oder als bodenständiges Café mit Hipster-Charme beschrieben werden. Neben dem Gastro-Besuch mit vielfältiger Speise- und Getränkekarte bietet sich das Orient auch für kulturelle Ausflüge wie beispielsweise Ausstellungen oder Konzerte an.
Video – Yasmo: Kein Platz für Zweifel
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