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Schauspielerin Sandra Cervik im Gespräch
 
       
       
Sandra Cervik

Schauspielerin

Kultur
16.03.2021
Sandra Cervik ist Schauspielerin und wurde einem breiten Publikum durch ihre Auftritte in Fernsehserien wie »Stockinger«, »SOKO Donau« oder »Vorstadtweiber« bekannt. Seit 1999 ist sie Ensemblemitglied im Theater in der Josefstadt. 2015 gab sie ihr Regiedebüt am Theater der Jugend, seit 2018 ist sie Dozentin am Max Reinhardt Seminar.

Vor einigen Jahren bei der Nestroypreisverleihung meinte ein Regisseur – ich glaube, es war Elmar Goerden – gegenüber seinen Schauspielern, dass wenn er sie nicht so lieben würde, es nicht viel geben würde, um sie zu mögen, er sie allerdings liebt. Da Sie neben der Schauspielarbeit auch bereits Regie geführt haben, was denken Sie bei solch einem Satz?

(lacht) Ich verstehe genau, was er meint! Man liebt sie, sie können allerdings schon auch sehr kompliziert sein. Es ist ein sehr egozentrischer Beruf. Man ist sehr mit sich und versucht, seine Bilder und Gefühle zu einer bestimmten Rolle zu finden. Man hat seinen eigenen Blick darauf. Der Regisseur hat die Aufgabe, die einzelnen Sichtweisen von unterschiedlichen Schauspielern zu einem großen Ganzen zusammenzufügen. Das kann manchmal anstrengend sein. Andererseits haben Schauspieler auch die Gabe, wahnsinnig offen zu sein, weswegen man sie wiederum auch so liebt. 

Wo würden Sie sich einordnen, wenn wir die Kategorien »offen«, »schwierig« und »egozentrisch« heranziehen?

Es ist immer schwer, sich selber zu beurteilen. Ich hoffe allerdings, dass ich eine gute Mischung bin, wenn auch sicherlich nicht die einfachste Schauspielerin. Ich habe meine eigene Sicht auf die Dinge und beschäftige mich sehr ausführlich mit Rollen, die ich spiele. Daher kämpfe ich auch immer um meine Figur. Auf der anderen Seite kann ich auch sehr offen und lustig sein und habe meine Kollegen sehr gerne. Ich ordne mich also schon auch mal unter.

Ab und an wird also schon gerne mit dem Regisseur gestritten.

Na ja, gestritten ... diskutiert wird schon mal, das ja, durchaus. Das klingt nach mir. (grinst)
Schauspielerin Sandra Cervik im Interview

Die Kabarettistin Lisa Eckhart hat auf die Frage, ob sie einmal als Schauspielerin in einem Film auftreten möchte, geantwortet, dass sie zu viel Persönlichkeit habe, als sich als leeres Gefäß zur Verfügung zu stellen, um sinnlose Rollen in sich eingefüllt zu bekommen.

Kompletter Schwachsinn! Jeder hat seine Sicht auf die Dinge, aber das stimmt einfach nicht. Man ist ja kein leeres Gefäß! Du suchst Teile deiner Persönlichkeit, die du dann wachrufst. Alles hat mit einem selbst zu tun. Ein leeres Gefäß wird immer leer bleiben, da kannst du ja gar nichts einfüllen. Je mehr Persönlichkeit ein Schauspieler hat, desto vielfältiger kann er eine Rolle anreichern. Du suchst immer einen bestimmten Teil in dir. Der kommt nicht von außen. Die Frage ist: Wo ist meine Medea? Welche Teile in mir bringen das zum Schwingen? Leer ist da gar nichts! Je älter Schauspieler werden, desto prächtiger und großartiger werden sie. Das hat damit zu tun, dass ihre Persönlichkeit reicher wird.

Das ist eine gute Überleitung zur nächsten Frage: Wie geht man als Schauspielerin mit dem Alter um? Mavie Hörbiger meinte vor Kurzem, eine Rolle nicht erhalten zu haben, weil sie 41 ist. Der Blick nach Hollywood zeigt immer wieder, dass einst gefragte Schauspielerinnen mit der Zeit von der Bildfläche verschwinden – Ausnahmen wie Meryl Streep scheinen die Regel zu bestätigen.

Ganz leicht hat man es als Frau nicht, je älter man wird. Das muss man schon einmal sagen. Am Theater ist es, finde ich, etwas leichter. Es ist immer auch ein bisschen Ansichtssache am Theater, wie alt eine Figur ist. Im Film wird höchst naturalistisch gearbeitet, wodurch du dort auch nicht mit einer solchen Abstraktion arbeiten kannst. Für ältere Schauspielerinnen, habe ich das Gefühl, wird es im Fernsehen nicht leichter. Dort ist alles jung, glatt und hübsch. Man bekommt halt einfach Falten. Das Gesicht wird unregelmäßiger. Es ist so, weil es eben so ist, und offenbar mag man das nicht so gerne sehen. Gerade im deutschsprachigen Raum ist das auch Thema. In amerikanischen Serien ist das mittlerweile nicht mehr so Thema. Um das »böse« Wort »Frauenquote« zu verwenden: Dort probiert man, sich schon mehr damit auseinanderzusetzen, und es geht auch mehr um Diversität. 

Mein Gott, zu altern ist schwierig, weil man sich selbst ja nicht so alt wahrnimmt. Meist fühlt man sich jünger, als man tatsächlich ist. Und auf einmal stehen Kolleginnen auf der Bühne, die meine Töchter sein könnten, und ich denke mir: »Oh Gott, ich war doch gerade noch die Junge!« Kein leichtes Thema, aber man sollte nicht die Augen davor verschließen. Man braucht nicht probieren, jünger zu sein, als man ist. 

Das heißt, dass Botox und Liftings bei Ihnen noch nie Thema waren?

Bis jetzt noch nicht! Grundsätzlich ist es aber die Sache von Frauen, ob sie es machen oder nicht. Ich finde es schrecklich, wenn Männer sich dann darüber aufregen.

Weil es die Entscheidung des jeweiligen Menschen ist.

Absolut! Es ist die Entscheidung der jeweiligen Frau. Ich habe ganz gute Gene, daher ist es noch nicht so prekär. Wenn ich aber ganz ehrlich bin, könnte ich meine Hand nicht ins Feuer legen, ob ich das Thema nicht irgendwann einmal reflektieren werde. Bisher war es nicht mein Thema, aber wer weiß. 

Wer weiß, was die Zukunft bringt.

Mein Sohn ist Medizinstudent, der würde mich vermutlich »schlachten«. Der würde das – Botox, ein Nervengift – aus medizinischer Sicht für kosmetische Zwecke für nicht vertretbar halten.

Bevor Sie allerdings zu einem Mediziner gehen, den er nicht kennt, würde er es Ihnen dann aber wahrscheinlich schon selbst verabreichen.

Nie im Leben! (lacht) Ich glaube ohnehin, dass er in eine komplett andere medizinische Richtung gehen wird, das würde er allerdings nie machen. Da ist er ganz strikt. 
Schauspielerin Sandra Cervik im Interview

Da Sie vorhin das Thema »Frauenquote« angesprochen haben: Braucht es eigene Frauenfilmfestivals?

Ich halte das für eine schöne Idee, auch wenn ich nicht weiß, ob es das braucht. Schön wäre es natürlich, wenn es keine Frauenquote und kein Frauenfilmfestival braucht, weil das alles selbstverständlich wäre. Aber manchmal braucht man auch verschiedene Schritte auf einem Weg, damit es völlig selbstverständlich wird. Also ja, warum nicht! Ich habe mit Erni Mangold und EsRap eine Lesung im Rabenhof gemacht, wo wir ausschließlich weibliche Autorinnen gelesen haben. Das war für viele sehr überraschend, weil viele Autorinnen nicht gekannt wurden. Natürlich muss man so etwas nicht machen, aber: Warum nicht? 

Wie sehen Sie selbst Ihre Entwicklung als Schauspielerin? Können Sie sich in alten TV-Folgen oder Filmen ansehen oder denken Sie sich: »Oh Gott, wie hab ich das denn damals gespielt?«?

(lacht) Ich weiß es nicht. Ich bin dann immer so frappiert, wie jung ich war. Ich habe erst vor Kurzem meinen ersten Film gesehen, den ich übrigens mit Christoph Waltz gedreht habe. Da war ich schon sehr unschuldig, mit großen Rehäuglein. Das ist schon ein bisschen abhandengekommen. (grinst) Ich kann mich grundsätzlich ganz schwer anschauen, weswegen ich Theater auch etwas angenehmer finde. Ich will meine eigene Wirkung nicht sehen, weil ich das selbst nur ganz schwer objektiv betrachten kann! Mir ist das Gefühl, von dem, was ich mache, lieber, als zu sehen, wie es dann rüberkommt. 

Wenn man mit anderen Schauspielern zusammenarbeitet, was denkt man übereinander? Denkt man sich: »Wow, du wirst einmal ganz groß!«, denkt man sich gar nichts, oder denkt man vielleicht sogar: »Du bist bald wieder weg von der Bildfläche!«? Sei es im Hinblick auf die soeben genannte Zusammenarbeit mit Christoph Waltz oder auch ganz allgemein gesprochen. 

Also im konkreten Fall von Christoph Waltz ist zu erwähnen, dass er damals schon kein Unbekannter war, und ich war noch superjung! Er war bereits durch Theater-, Film- und Fernsehproduktionen bekannt, wenn auch weit entfernt von dem, wo er jetzt ist. Ich habe ihn allerdings schon damals sehr bewundert und geschätzt und war sehr stolz, dass ich meine erste Rolle mit Christoph spielen durfte.

Bei welchen abgelehnten Rollen denken Sie sich im Nachhinein: »Fuck, das hätte ich doch machen sollen!«? Einfach, weil Sie es im Vorhinein falsch eingeschätzt haben und die Produktion dann richtig groß geworden ist.

(lacht) Ich weiß es nicht. Ich habe immer versucht, mit den Entscheidungen, die ich getroffen habe, nicht zu hadern. Es gab schon ein paar Fernsehproduktionen, die sehr erfolgreich geworden sind, bei denen ich mir dachte, dass ich damit viel Geld hätte verdienen können. Aber in Wahrheit versuche ich, mit den von mir getroffenen Entscheidungen eins zu sein. Wenn man Entscheidungen trifft, muss man damit leben. Es gibt ja diverse Beispiele von ganz berühmten Rollen, die Schauspielerinnen oder Schauspieler abgelehnt haben, was sie im Nachhinein bereut haben. Sowas ist mir noch nicht passiert. Eher umgekehrt: Ich habe mal was nicht bekommen, das ich gerne gespielt hätte und was dann ein großer Erfolg wurde.

Geht man ab einem gewissen Bekanntheitsgrad noch zu Castings, oder wartet man darauf, eingeladen zu werden?

Das hat sich sehr verändert. Wenn du früher viel gedreht hast, musstest du nicht mehr unbedingt ein Casting machen. Heute ist es gang und gäbe, Castings zu machen. Sogar Onlinecastings, die man verschickt, sind aktuell ganz modern – schon vor Coronazeiten, jetzt aber noch mehr. Es ist halt praktisch, wenn du einen Schauspieler nicht extra nach Deutschland fliegen musst. Ich bin jetzt kein großer Freund davon, aber was soll’s. 

Wie oft schlüpft man als Schauspielerin untertags privat in eine Rolle, weil man weiß, dass man mit der eigenen Persönlichkeit in dieser oder jenen Situation niemals reüssieren würde?

(lacht) Auch das ist eine Frage des Alters! Ich denke, je jünger, desto öfter. In jungen Jahren hat man ein Bild von sich selbst, dem man entsprechen möchte, zum Beispiel wenn man bei irgendwelchen Galas auftritt. Je älter man wird und je reifer die Persönlichkeit ist, desto weniger ist das notwendig. Ich mache das kaum noch. Ich habe die Feststellung gemacht, dass die eigene Persönlichkeit die angenehmste für das Gegenüber ist, weil man am offensten, wahrsten und wahrhaftigsten ist. 

Und wenn nicht, vergrault man die Person wenigstens aus der ureigensten Persönlichkeit heraus.

Yes, genau! Oder man hat halt keinen Konnex zueinander, was ja auch vorkommen kann. 

Muss man sich manchmal dennoch inszenieren, irgendeinen Sager produzieren, von dem man weiß, dass man das nicht ist, aber man macht’s halt trotzdem, weil die Medien drauf aufspringen?

Immer mehr, durch diese ganzen Onlinenetzwerke wie Facebook oder Instagram. Bei Influencern und YouTubern, die ich alle gar nicht kenne, ist das sicherlich schon so. In unserem Metier ist das etwas komplett anderes. Vor allem als Theaterschauspielerin hast du ein anderes Publikum. Da nützt das herzlich wenig und könnte sogar kontraproduktiv sein.
»Für Schauspieler gibt es intimere Momente als einen Kuss«

Kommen wir zum Thema der Intimität. Wie bereitet man sich auf Kussszenen oder Liebes- bzw. Sexszenen vor? Und: Wie sehr sind solcherlei Dreharbeiten dann zu Hause beim Ehepartner Thema?

Am Theater ist die Kussszene nicht das Erste, was man probiert. Vorher kommst du dir als Kollegin und Kollege näher und schaffst eine Vertrauensbasis. Und dann küsst man sich. Es gibt intimere Momente, die man als Schauspieler teilt, als einen Kuss. 

Beim Drehen sind Sexszenen immer etwas Unangenehmes. Das Set wird zwar gesperrt, und das Team versucht, wahnsinnig respektvoll mit einem umzugehen. Es sind dann nur die notwendigsten dabei, wie zum Beispiel der Kameramann, der Regisseur etc. Trotzdem ist es eine Überwindung. Mit dem Drehpartner kannst du nur probieren, Vertrauen aufzubauen, damit es im Zuge der Produktion im geschützten Rahmen möglich ist. 

Und nein, zu Hause ist es kein Thema. Mein Mann ist ja auch vom Fach. 

Auch am Anfang der Beziehung war es kein Thema? Nach zwanzig Jahren Beziehung kann ich mir vorstellen, dass man das Thema schon ein paar Mal durch hat, aber gerade am Anfang einer Beziehung, wo man sich gegenseitig gerade noch kennenlernt?

Wir haben uns ja nicht mit 20, sondern mit 30 kennengelernt. Da hatte man ja schon ein bisschen Erfahrung. Wir haben das nie falsch eingeordnet. Es ist, was es ist. Gut ... vielleicht ist mal ein leichtes Aufflammen von Eifersucht aufgekommen, à la »G’fallt ihm die jetzt wirklich oder eh nicht?«. Möglicherweise! Aber in Wahrheit muss man es dort lassen, wo es hingehört. It’s part of the game.

Spannende Formulierung: »G’fallt ihm die jetzt wirklich oder eh nicht?« – sind Sie die Eifersüchtigere?

Nein, glaube ich nicht. Wir sind beide nicht eifersüchtig. Waren wir auch früher nicht. Das hat etwas mit Vertrauen zu tun. Entweder du vertraust oder du vertraust nicht. 

Sie meinten vorhin, es gibt zwischen Schauspielern intimere Momente als Küsse.

Wahre Schmerzensmomente sind schon eine andere Nummer. Es ist schön, wenn du Kollegen hast, die das auffangen. Oder auch große Verzweiflungen, wenn du als Schauspieler das Gefühl hast, anzustehen oder nicht weiterzukommen. Das bekommen deine Partner ja mit. Das sind schon sehr intime Momente, wenn man scheitert oder das Gefühl hat, zu scheitern, und das dann teilt. 

Liegt es daran, weil einem die Rolle oder Szene nicht zusagt, oder liegt es daran, weil man sich der Rolle als Schauspieler nicht so hingibt? Nehmen wir das Beispiel von Heath Ledger in seiner Rolle als »Joker«. Es wurde nach seinem Tod behauptet, dass er in seiner Rolle so aufgegangen ist, dass der Joker Oberhand über seine Persönlichkeit gewonnen hat. Will man sich manchen Rollen vielleicht gar nicht so hingeben oder ist das nur Hollywood-Marketing?

Es ist sicherlich ein Grund, eine Sperre zu haben, wenn man – aus welchen Gründen auch immer – nicht aufmachen kann. Oder: Du willst etwas und bekommst es nicht hin. Es gibt viele Ursachen, anzustehen. Ob das Hollywood-Marketing ist? Hm. Man sagt ja auch, Vivien Leigh ist durch die Rolle der Blanche DuBois in »Endstation Sehnsucht« verrückt geworden. Ob das tatsächlich sein kann, weiß ich nicht. Wenn du Probenarbeiten hast, macht das schon etwas mit dir. Das ist so! Ich würde allerdings behaupten, dass das nur bis zu einem bestimmten Punkt geht, und dann hört das auch auf. Es macht aber schon etwas mit dir, wenn du sehr ernsthafte oder schmerzhafte Sachen spielst. Die Stimmung sinkt dann schon mit. Der Rhythmus ändert sich aber wieder, da du ja viele verschiedene Rollen spielst. Man lernt, in die Rollen zu schlüpfen und auch wieder rauszugehen. Bei manchen Rollen denkt man anfänglich, dass man sterben wird, wenn man das jetzt spielt. Mit der Zeit findet man seine eigene Ökonomie, das zu schaffen. Dazu hat man ja auch die Proben.
Schauspielerin Sandra Cervik im Interview

Im Frühjahr 2020 wurde der einstige Filmmogul Harvey Weinstein wegen diverser Sexualvergehen verurteilt. Wie sehr ist man im deutschsprachigen Raum als Schauspielerin Regisseuren oder Produzenten ausgeliefert? Und: Hat sich etwas über die Jahre verändert?

Total! Ich würde meinen, früher, als ich jung war, war vieles selbstverständlich. Mir ist, Gott sei Dank, kein Übergriff in körperlicher Hinsicht passiert. Es hat auch nie jemand von mir verlangt. Verbale Übergriffe, wie zum Beispiel »Schatzerl« und dergleichen, waren aber auf der Tagesordnung. Das ist heute sicher anders und strenger, und das mit Recht! Mit jungen, aber auch älteren Frauen geht man nicht wie mit einer Ware um! Man nimmt sich nicht einfach Sachen heraus, die nicht in Ordnung sind! Im Lauf meiner Karriere hat sich Unglaubliches verändert. 

Es gibt aber schon zwei Seiten. Einerseits muss es im Bewusstsein der Männer ankommen, und zwar wirklich ankommen, wo eine Grenze ist! Es soll ja bitte auch nicht so sein, dass man als Mann keiner Frau mehr Avancen machen soll. Das kann ja auch nicht sein! Du musst aber schon wissen, was übergriffig ist und was nicht, und wo was gewollt ist und wo nicht. Auf der anderen Seite müssen wir Frauen lernen, »Stopp« und »Nein« zu sagen. Und das, ohne Angst zu haben, als humorlos zu gelten. Es muss ganz normal werden, sagen zu dürfen, dass man etwas nicht will, dass man anders behandelt werden möchte oder einem ein blöder Witz zu weit geht. Dieser Prozess muss noch eine Waage finden, ich bin allerdings zuversichtlich, dass das passieren wird.

Braucht es bei Film- oder Theaterpreisverleihungen Kategorien wie »bester Darsteller« und »beste Darstellerin«? Es ist ja nicht so, dass Pacino oder De Niro sich zurückhalten müssten, um Meryl Streep eine Oscar-Nominierung zu ermöglichen. Strikt fortgeführt müsste es demnach auch Kategorien wie »bester schwarzer Darsteller« oder »bester ausländischer Darsteller« geben.

(grinst) Na ja, da müssten sie mit Afroamerikanern reden, ob sie das Bedürfnis haben, eine eigene Kategorie zu haben. Das würde sie schon etwas separieren. Das meinte ich vorhin mit Diversität. Bei Netflix hat man das Gefühl, dass die nicht mehr so darauf achten, ob ein Darsteller schwarz ist oder chinesische oder thailändische Wurzeln hat. Das sieht man immer öfter. Ob da nun ein homosexuelles Pärchen oder ein lesbisches Pärchen mit dabei ist, wird gar nicht mehr thematisiert. Es ist mit dabei, weil es so gehört – und das finde ich richtig! Ob man diese Kategorien also nochmals extra separieren sollte ... glaube ich nicht. »Männlich« und »weiblich« ist jeweils so ein riesiger Topf ... da nur einen zu küren, würde ich dann schon komisch finden. Das ist schon in Ordnung, dass man die beiden Kategorien auseinanderhält.

Gibt’s eine Rolle, die Sie als »Rolle Ihres Lebens« sehen würden? Oder einen Preis, von dem Sie sagen: »Wenn ich den habe, kann ich mich zurücklehnen und eigentlich aufhören«?

Wenn ich den Oscar bekommen hätte, vielleicht. (lacht) In unseren Breiten wüsste ich allerdings nicht, was das sein sollte. Und selbst wenn du Oscarpreisträger bist, lehnst du dich ja auch nicht einfach zurück. Ich glaube, dass es diesen Preis gar nicht gibt. Man will ja trotzdem weitermachen, und der Ehrgeiz geht vermutlich auch nicht weg. Es muss ja wieder eine neue Aufgabe kommen. Vielleicht der Nobelpreis? Auch nicht, vermutlich. Ich wüsste auch nicht, in welcher Kategorie ich den gewinnen sollte. (lacht) Hat Frau Jelinek das Gefühl, dass sie nichts mehr zu schreiben braucht, weil sie den Literaturnobelpreis gewonnen hat? Glaube ich nicht. Solche Preise freuen dich einen Abend lang oder länger. Aber in Wahrheit sind sie nur Motivationsfaktor, um weiterzuarbeiten.

Lieblings-

Buch: Der kleine Prinz (Antoine de Saint-Exupéry) 
Film: Kill Bill Vol. 1 & 2
Song: There Must Be An Angel (Eurythmics) 
Schauspieler/in: Susan Sarandon, Joaquin Phoenix 
Motto: Carpe diem.
Autor/in: Arthur Schnitzler 
Serie: Hunters
Stadt: Venedig
Land: Italien
Gericht: Spaghetti Bolognese 
Getränk: Weißwein

Persönliches Mitbringsel

Mein Armband, das ich immer zu Premieren trage. Es hat ganz viele Anhänger, die mir alle geschenkt wurden und eine Bedeutung haben. Von meinem Sohn habe ich ein Herz bekommen, einen Familienstammbaum von meinem Mann, einen Anhänger von meiner Mutter. Es ist ein Glücksbringer.
Sandra Cervik zeigt ihr Glücksbringer-Armband

Schönstes und negativstes Erlebnis der vergangenen Woche

Das war eigentlich dasselbe: Wir hatten bei »Die Stadt der Blinden« Generalprobe, was richtig schön war. Was allerdings richtig scheiße war, ist, dass wir zwei Monate geprobt haben und wir nach wie vor nicht auftreten dürfen. Das war ein richtiges Loch, das sich aufgetan hat. Wir haben alle an dieser Produktion gearbeitet und wissen nicht, wann wir sie herzeigen können. Es zu spielen, war aber richtig schön! Es ist eine wahnsinnig tolle Produktion, die wir wirklich gerne herzeigen würden. Geht nur leider nicht.

Berufswunsch als Kind

Meine Mutter erzählt die Geschichte, dass ich Striptease-Tänzerin werden wollte. Ich habe keine Erinnerung daran! (lacht) Gleich danach kam jedenfalls Schauspielerin.

Wen wollten Sie immer schon mal treffen?

Das Ehepaar Obama. Das sind zwei besonders intelligente Menschen. Was die so zu erzählen haben, würde mich wahnsinnig interessieren.

Teenie-Schwarm

Herbert »Schneckerl« Prohaska

Getränk während des Interviews

Cappuccino

Ort des Interviews

Theater in der Josefstadt
Das Interview mit Sandra Cervik hat im roten Salon im Theater in der Josefstadt stattgefunden. Neben dem Ureigentlichsten – nämlich dem Theater und den Kammerspielen – seien den Besucherinnen und Besuchern auch die Sträußelsäle empfohlen, die bereits eine Stunde vor Spielbeginn, aber auch zum Ausklang, bis zu einer Stunde nach Spielende, geöffnet haben und dazu einladen, sich bei Snacks und Getränken zu unterhalten.