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Shiatsu-Praktikerin Christine Sztatecsny im Interview
 
       
       
Christine Sztatecsny

Shiatsu-Praktikerin

Leben
11.04.2023
Shiatsu ist eine Form der Körperarbeit, bei der mittels sanfter Berührungen eine körperliche und geistige Entspannung und Ausgeglichenheit herbeigeführt werden soll. Gearbeitet wird hierbei entlang von Druckpunkten und Meridianen, die mit Fingern, Ellbogen, Füßen und Knien bearbeitet werden. Die Ursprünge dieser Therapieform liegen im Chinesischen und Japanischen. Im Vergleich zu Massagen wird deutlich sanfter und ruhiger gearbeitet. Christine Sztatecsny hat 2003 mit ihrer Shiatsu-Ausbildung begonnen, sie 2011 abgeschlossen und praktiziert seit 2018 im niederösterreichischen Maria Anzbach. Im Interview spricht sie darüber, was Berührungen auslösen können, wie sich ihre Arbeit über die letzten Jahre verändert hat und warum es manchmal schwierig ist, Shiatsu in Worte zu fassen.

Wie ist es dazu gekommen, dass du dich mit asiatischer Körperarbeit beschäftigst und du die Ausbildung zur Shiatsu-Praktikerin begonnen hast?

Ursprünglich habe ich Biologie, Psychologie und Philosophie auf Lehramt studiert und habe relativ schnell gemerkt, dass ich keine Vollzeitlehrerin bin. Durch Selbsterfahrung bin ich dann zum Shiatsu gekommen. Da ich gemerkt habe, wie gut es mir getan hat, habe ich nach und nach nebenbei begonnen, die Shiatsu-Ausbildung zu machen.

Massagen, Akupunktur, Yoga kennt man landläufig, aber wie bist du dazu gekommen, Shiatsu zu probieren?

Shiatsu war damals noch nicht so weit verbreitet und bekannt, das stimmt schon. Es war ehrlicherweise Zufall, über meine Schwägerin. Sie kannte Shiatsu schon und meinte zu mir, dass es auch etwas für mich sein könnte.

Auf deiner Website erwähnst du einen neunmonatigen Roadtrip, der dich und deinen Partner in einem alten Land Rover von Österreich nach Südafrika geführt hat. Durch diese Reise hast du dich mit sehr viel beschäftigt, das in weiterer Folge in deinen Beruf der Körperarbeit eingeflossen ist.

Durch Shiatsu bist du im Moment in der Gegenwart. Das ist das Wesentliche am Shiatsu. Es geht darum, dass man sich jetzt auf das Gegenüber einlässt. Die Gegenwart ist das, was zählt. Auch von den Gedanken her im Moment zu sein, statt immer irgendwo in der Vergangenheit oder der Zukunft, tut uns Menschen gut. Ich lebe jetzt und schiebe Dinge nicht auf. Diese Erkenntnis habe ich, bis zu einem gewissen Grad, dieser Reise zu verdanken.

Im Jetzt zu leben und bei sich zu sein kennt man auch von Meditation. Wo liegen die Unterschiede zu Shiatsu?

Wenn ich Shiatsu praktiziere, hat es für mich immer auch einen meditativen Charakter. Während Shiatsu wird alles ausgeblendet. Ich bin dann sehr konzentriert und in einem geistig wachen Zustand. Meinst du jetzt auch, wie es für denjenigen ist, der Shiatsu erhält?

Genau.

Ich glaube, dass es verschiedene Wege zum selben Ziel sind. Yoga und Shiatsu sind unterschiedliche Sachen. Das Ziel ist aber immer, dass man sich selbst besser wahrnimmt und in eine Ganzheit kommt. Wir leben heute in einer sehr fordernden Welt mit einer Leistungsgesellschaft. Bei vielen Menschen sind Körper, Geist und Seele sehr getrennt voneinander. Zumindest habe ich manchmal das Gefühl. Der eine kommt vielleicht durch eine Yoga-Einheit zu sich, um wieder mehr Balance und Gleichgewicht zu spüren. Dasselbe kann durch Shiatsu passieren.
Im Interview: Shiatsu-Praktikerin Christine Sztatecsny

Wenn Körper und Geist durch die Leistungsgesellschaft getrennt sind, ist es dann für dich oder deine Kunden leichter, sich während der Shiatsu-Stunde aufeinander einzulassen?

Es geht Hand in Hand. Die große Qualität von Shiatsu ist die sehr achtsame Berührung, wodurch es zu einer Begegnung kommt. Es geht darum, dass ich meinem Gegenüber einen Raum biete, der völlig wertfrei und nicht urteilend ist. Derjenige soll sich so angenommen fühlen, wie er ist, ohne sich verändern zu müssen. Die Person soll so angenommen werden, wie sie ist. Und mit dem, was ich dann spüre, dem inneren Rhythmus, versuche ich mitzuschwingen. Dadurch fühlt sich der Mensch angenommen, entwickelt Vertrauen und hat die Möglichkeit, sich zu verändern. Veränderung ist nur möglich, wenn ich mich angenommen fühle und so sein darf, wie ich bin. Dann komme ich bei mir selbst an, und das ist wiederum ganz wesentlich dafür, um körperlich und psychisch gesund zu bleiben, sich selbst zu spüren.

Ist das für dich immer gleich leicht oder schwer, den Rhythmus einer anderen Person zu spüren?

Gleich leicht ist das nicht immer bei jeder Person. Wir zwei kommunizieren jetzt verbal, bei Shiatsu passiert die Kommunikation nonverbal. So wie wir uns nicht über dasselbe unterhalten wie mit anderen Menschen, so ist es für mich beim Shiatsu auch nicht mit jedem gleich leicht. Durch die professionelle Haltung als Shiatsu-Praktikerin bleibe ich aber stets offen und neugierig auf das, was mir von Menschen entgegenkommt. Was auch immer das sein mag. Diese Neugierde macht sehr viel mit einem.

Es ist sehr intim. Einerseits wird ein fremder Körper berührt, andererseits bist du neugierig auf die Schwingungen des Menschen. Es ist also eine ständig neue Erfahrung, sich auf Menschen einzulassen, bei dieser Form der Körperarbeit. Wie darf man sich das vorstellen, wenn man noch nie Shiatsu erfahren hat?

Man darf es sich so vorstellen, dass man eine sehr gute Zeit verbringt, weil: Derjenige, der Shiatsu gibt, versucht sich hinzuspüren und Bedürfnisse wahrzunehmen, ohne dem anderen etwas überzustülpen.

Woran machst du das fest? Bei Massagen merkt man relativ schnell, wenn der Druck zu stark ist, weil dann vielleicht ein Aufschrei zu hören ist. Shiatsu-Berührungen sind vergleichsweise sanft. Woran merkst du, ob es der Person guttut oder eh einfach okay ist?

Im Normalfall merkt man, ob eine Tiefenentspannung eintritt.

Schlafen Leute dabei ein?

Ganz selten. In der Regel tritt eine sehr tiefe Entspannung ein. Es ist ein Zustand, der wahrscheinlich kurz vor dem Einschlafen passiert und fürs Nervensystem extrem regenerativ ist. Zu merken ist dieser Zustand an der Atmung und am Tonus, also an der Körperspannung und der gesamten Körpersprache. Je mehr Erfahrung, desto besser kann man die Zeichen lesen.

In Arztpraxen sieht man immer wieder Plakate mit Meridianen im Körper. Wie kann man sich die Arbeit anhand dieser Energielinien vorstellen?

Wahrscheinlich gibt es Meridiane oder Energiebahnen nach den traditionellen Vorstellungen nicht. Wissenschaftlich sind sie jedenfalls nicht erwiesen. Man kann daher nicht sagen, dass es jetzt so oder so ist. Shizuto Masunaga hat Shiatsu im 20. Jahrhundert weiterentwickelt. Er hat eine Meridian-Karte abgeliefert, die total ungenau ist. Wenn man sich die anschaut, denkt man sich: »Und der soll sich jetzt genau damit beschäftigt haben?« Seine Karte ist weniger präzise im Vergleich zu Darstellungen aus früherer Zeit. Man muss es daher mehr als ein energetisches Konzept verstehen als etwas, wo es um anatomische Exaktheit geht. Akinobu Kishi, ein anderer bedeutender Shiatsu-Lehrer, propagierte sogar ein meridianfreies Shiatsu. Das Wichtigste für ihn ist eine aufmerksame Wahrnehmung im energetischen Raum. Mittlerweile sehe ich das auch verstärkt so. Die Meridiane sind für mich eine gute Grundlage, um einen Zugang zu einem Menschen zu finden. Im Endeffekt geht es aber viel mehr um die Wahrnehmung des energetischen Raums. Darauf sollte man reagieren und damit sollte man arbeiten. Ein Herumfitzeln, ob ein bestimmter Punkt jetzt dort oder dort liegt, ist nicht so wichtig, weil jeder Mensch anders ist. Alleine schon von der Anatomie her. Die Punkte sind daher, meiner Meinung nach, viel weniger wichtig als der energetische Zugang zu einem Menschen. Klar kann das mal über einen Akupunktur-Punkt passieren, es kann aber auch darüber passieren, dass ich diesen Menschen einfach an den Schultern halte.

Dieser Zugang kam über die Jahre mit deiner Erfahrung.

Ja, es war schon eine Art des Entwicklungsprozesses. Während der Ausbildung ist es eher schulisch und schon sehr auf die Meridiane bezogen. Wo genau verlaufen die, welche Technik setzt man ein, welche Position nimmt man selbst ein und so weiter. Mit der Zeit löst man sich davon und entwickelt seinen eigenen Zugang.

Was machst du heute noch anders als früher?

Was immer wichtiger geworden ist, sind die Erkenntnis und Tatsache, dass ich mir selbst, also meinen Sinneseindrücken, vertrauen darf in dem, was ich tue. Das Schöne ist, dass es kein abgeschlossener Prozess ist und weitergeht. Wenn man sich Neugierde und Offenheit behält, kann man wahrscheinlich 50 Jahre Shiatsu praktizieren und es wird jeden Tag aufs Neue interessant sein.

Das liegt wahrscheinlich an deinem Interesse am Menschen.

Natürlich liegt es auch am wohlwollenden Mitgefühl für andere Menschen. Das ist, aus meiner Sicht, etwas ganz Wichtiges. Als Shiatsu-Praktikerin sollte man das schon haben.
»Durch achtsame Berührungen bekommen wir einen Zugang zum Unbewussten unseres Gegenübers«

Wie sehr muss man sich selbst öffnen? Wie viel muss man als Shiatsu-Praktikerin von sich selbst preisgeben?

Nur wenn ich authentisch bin und mein Shiatsu praktiziere, wird es funktionieren. Daher geht es damit einher, dass man sich selbst währenddessen öffnet. Viele Menschen glauben, dass ich etwas von meiner Energie hergebe. Das passiert allerdings nicht, auch wenn man das immer wieder hört. Ich gehe mit einem wachsamen Geist in eine fürsorgliche und achtsame Haltung. Darum geht es eigentlich.

Hast du das Gefühl, dass du von deinen Kundinnen und Kunden Energie bekommst?

Ich habe weder das Gefühl, herzugeben, noch habe ich das Gefühl, Energie zu bekommen. Ich merke im Gespräch gerade, dass es sehr schwer zu beschreiben ist. Die Kraft oder Besonderheit des Shiatsu ist, dass es den Verstand nicht so sehr betrifft. Durch achtsame Berührungen bekommen wir einen Zugang zum Unbewussten unseres Gegenübers. Das alles in Worte zu fassen ist herausfordernd. (lacht) Ich würde sagen, man schwingt gemeinsam. Dadurch kann sich innerlich sehr viel neu ordnen. Viele Menschen beschreiben diesen Zustand dann als Ausgeglichenheit. Sie fühlen sich wieder in ihrer Mitte. 

Sind manche Körperstellen oder -regionen besonders prädestiniert oder auch ungeeignet? Wie näherst du dich? Vielleicht auch gerade bei einer Erstbehandlung.

Im Vorfeld gibt es immer ein Gespräch, um herauszufinden, ob es besondere Wünsche oder Anliegen gibt. Wenn es körperliche Einschränkungen gibt, auf die man zu achten hat, sollte man das natürlich vorher wissen. Es kommt auch darauf an, wie ein Mensch gut liegen kann. Wenn jemand mit dem Nacken Probleme hat, werde ich die Person eher nicht in Bauchlage behandeln, weil das sehr auf den Nacken gehen würde. Nach dem Gespräch erfolgt unsere Form der Diagnose über sanfte Berührungen der Haras, der Bauchregion. Zusätzlich dazu wird geschaut, ob es einen Körperteil gibt, der in irgendeiner Form auffällig ist – ohne Bewertung!

Was heißt »auffällig«?

Wenn der Oberkörper zum Beispiel sehr dominierend wirkt und die Beine verhältnismäßig fast nicht existent sind. Das sollte man vor der Behandlung wahrnehmen, um dann während der Berührung darauf zu achten, ob das bestätigt wird. Es muss nicht immer so sein, dass das, was ich visuell wahrnehme, auch während der Behandlung wahrzunehmen ist.

Würdest du manchen Leuten Shiatsu speziell empfehlen und anderen wiederum im Speziellen davon abraten?

Es gibt Indikatoren, bei denen man dazu angehalten ist, kein Shiatsu zu praktizieren. Das wäre zum Beispiel sehr starker Bluthochdruck, der medikamentös nicht eingestellt ist. Da beim Shiatsu Druck ausgeübt wird, könnte es sich für diese Person negativ auswirken. Wobei ich davon überzeugt bin, dass, wenn ich in Kontakt mit dem Menschen bin und nicht wahllos auf ihm herumdrücke, auch nichts Negatives passieren wird. Bei Krampfadern sollte man Shiatsu auch nicht unbedingt anwenden. Ansonsten bin ich zu 100 Prozent davon überzeugt, dass Shiatsu jedem Menschen guttun kann. Kann! Es gibt sicherlich auch Menschen, die sich auf diese Form der Körperarbeit nicht einlassen können oder wollen. Das ist zu akzeptieren. Es mag schließlich auch nicht jeder eine Massage. Grundsätzlich tut es den Menschen aber gut, berührt zu werden.

Das steht außer Frage.

Sehe ich auch so. Viele Menschen werden sehr wenig berührt. Eine Shiatsu-Behandlung kann dann sehr viel bedeuten.
Talk mit Shiatsu-Praktikerin Christine Sztatecsny

Blühen manche Menschen, die anfänglich sehr schüchtern wirken, mit der Zeit auf?

Das Um und Auf ist ein vertrauensvolles Verhältnis zueinander. Das entwickelt sich. Ganz oft sind Menschen bei der ersten Begegnung sehr zurückhaltend und wirken unnahbar. Das darf sich mit der Zeit verändern und ist auch oft der Fall.

Kommen zu dir eher Männer oder Frauen, jüngere oder ältere Menschen? Gibt es eine typische Persona?

Es sind wesentlich mehr Frauen als Männer, die zu mir kommen. Dieser Erfahrungsbericht deckt sich mit vielen anderen Shiatsu-Praktikerinnen. Grundsätzlich behandle ich Kinder, Erwachsene, Schwangere und auch ältere Menschen.

Welche Körperarbeit praktizierst du selbst als Kundin? Was machst du für dein eigenes körperliches und geistiges Wohl?

Ich nehme regelmäßig Shiatsu in Anspruch und mache diverse Körperübungen, die auch als Vorbereitung für Shiatsu dienen. Es handelt sich dabei um Yoga-Übungen und um Shiatsu-Meridian-Dehnübungen. Und ich singe.

Wie sehr kannst du dich bei einer anderen Shiatsu-Praktikerin fallen lassen? Wie sehr achtest du auf die Berührungen?

Während unserer Ausbildung erhält man von so vielen unterschiedlichen Menschen Shiatsu, weil man es schließlich üben muss. Von daher kenne ich sehr viele verschiedene Zugänge. Wie es für meine Klienten gilt, gilt es auch für mich, die passende Shiatsu-Praktikerin zu finden. Es kommt dann schon immer wieder vor, dass ich mich währenddessen frage, wie sie das jetzt gerade macht. Das Schöne ist, dass man dadurch wieder zur eigenen Körperwahrnehmung findet. Einfach weil man merkt, was einem guttut. Ich komme dann wieder zu mir.

Lieblings-

Buch: Kochbücher
Film: Habe ich keinen.
Song: Immer gerade das, was ich im Chor singe.
Schauspieler/in: Ich bin kein Film-Aficionado, daher kann ich niemanden nennen. 
Motto: Folge deinem Herzen.
Autor/in: Ganz bunt durchgemischt.
Serie: Breaking Bad
Stadt: Wien
Land: Namibia
Gericht: Gemüse
Getränk: Gin Tonic

Schönstes und negativstes Erlebnis der vergangenen Woche

Schönstes: Die im Garten keimenden Radieschen und Salate. 
Negativstes: Ich hatte einen Magen-Darm-Infekt.

Persönliches Mitbringsel

Erde unter den Fingernägeln. (lacht) Gartenarbeit und Shiatsu sind meine großen Leidenschaften. Also eigentlich wäre dann mein Mitbringsel meine Nagelbürste, die ich jetzt aber nicht mithabe. Damit reinige ich nach der Gartenarbeit meine Fingernägel vor der Shiatsu-Behandlung. Immer wenn das Wetter es zulässt, bin ich im Garten und habe meine Finger in der Erde.

Berufswunsch als Kind

Lehrerin

Wen wolltest du immer schon einmal treffen?

Johannes Brahms. Ich empfinde seine Musik als so besonders und berührend, dass ich den Menschen, der sie erschaffen hat, gerne persönlich kennenlernen würde.

Teenie-Schwarm

Backstreet Boys

Café-Bestellung

Soda-Zitron

Ort des Interviews

Konditorei Heiss & Süß
Die Konditorei Heiss & Süß in Neulengbach besteht bereits seit 1938, wobei der Name nicht von den angebotenen Heißgetränken herrührt, sondern von den ursprünglichen Betreibern, dem Ehepaar Karl und Franziska Heiss. Seit den Anfangsjahren hat sich die Konditorei zu einem Großbetrieb mit über 70 Mitarbeitern und einer über 1000 Quadratmeter großen Produktionshalle entwickelt. Beliefert wird damit nicht nur die eigene Konditorei, sondern über 400 Betriebe in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Kleiner Tipp: Mehlspeisen, die kleinere Schönheitsfehler haben und es nicht in die Konditorei oder zu Kunden schaffen, werden ab Werk in Altlengbach zu günstigeren Preisen verkauft.