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Juwelier Franziskus Kriegs-Au im Talk
 
       
       
Franziskus Kriegs-Au

Juwelier

Gesellschaft
25.02.2025
Haben Sie Rares und hätten Sie dafür gerne Bares? Dann ist der heutige Interviewpartner genau der Richtige für Sie! Juwelier Franziskus Kriegs-Au – eigentlich gelernter Gold- und Silberschmiedmeister – ist seit 2022 Schmuckexperte bei der Österreich-Version der Sendung »Bares für Rares« auf Servus TV. Ein paar Jahre davor hat er das 1875 gegründete Juweliergeschäft seines Ururgroßvaters Julius Hügler übernommen und über mehrere Standorte in Wien, Salzburg, Linz und Bad Gastein ausgebaut. Zu seinen Kunden zählen, laut eigenen Angaben, Burlesque-Tänzerin Dita Von Teese sowie Schauspieler Matthias Schweighöfer. Welche Schmuckstücke er selbst trägt, bei welchen Raritäten er sich schon verschätzt hat und warum er Luxusmarken kritisch sieht, verrät er im Interview.

Welche Schmuckstücke trägst du gerade und welchen Wert haben sie?

Ich trage heute, wie meistens, gar keinen Schmuck. In der Früh hatte ich ein teures Armband am Handgelenk, das ich aus der Filiale in Hietzing geholt habe, weil wir dazu gerade ein Gutachten einholen. Manchmal trage ich gerne für ein oder zwei Tage einen Gangster-Ring, weil ich ihn lustig finde, bis meine Frau sagt, dass ich ihn endlich verkaufen soll! (lacht) Ich trage nicht mal einen Ehering, sondern habe den Anfangsbuchstaben des Vornamens meiner Frau aufs rechte Handgelenk tätowiert. Was ich schon trage: den Schmuck des Mannes – eine schöne goldene Audemars Piguet Royal Oak aus den 80ern! Für die verlange ich 22.500 Euro.

Du trägst also die Sachen, die du verkaufst.

Immer. Manches behalte ich mir auch. Verrückte goldene Uhren aus den 70ern, die ich mehr oder weniger zum Goldwert einkaufe. Da sie mit dem Goldwert steigen, sind sie ein gutes Sparschweindl. Und: Sie sind nicht Mainstream. Genau deswegen taugen sie mir! Schwer verkäuflich, aber geil. Ich trage sie, weil sie mir selbst gefallen. Leute, die Modeschmuck oben haben, nur weil das gerade alle gut finden, finde ich ganz schrecklich. Nur weil es andere tragen, möchte ich das auch gerade? Also bitte! Aber gut, so sind sie, die Menschen. Ein Beispiel: Tennisarmbänder. Ich kauf sie an, weil ich weiß, dass ich sie schnell wieder verkaufen kann. Sollte mich jemand danach fragen und ich kann gerade keines anbieten, organisiere ich die nicht extra. Wenn sie da sind, fein, wenn nicht, dann nicht. Modisch ist das nicht mein Ding, aber jeder soll bitte tragen, was er oder sie möchte.

Kannst du mit dem Begriff »old money style« etwas anfangen?

Finde ich lustig. Ich liebe Dinge, die früher extrem viel Geld gekostet haben und die sich damals nur ein paar Leute leisten konnten. Heute fährt jeder Zweite mit dem Porsche Cayenne durch die Gegend. Früher gab es keine Leasingraten, daher konnten sich nur diejenigen mit richtig Kohle die wirklich guten Autos leisten. Gleiches gilt für alte Stereoanlagen oder Klimaanlagen aus den 50ern. Wer hatte das früher schon? Das war nur einer ganz kleinen Schicht vorbehalten. Ich mag Dinge aus der Zeit, egal ob es sich um Autos oder Uhren handelt. Es fühlt sich einfach gut an, sich in eine alte Zeit zu versetzen. Man muss ja wirklich nicht jeden Scheiß von heute mitmachen. Wenn ich in eine alte 80er-Jahre-S-Klasse steige, eine Uhr aus den 80ern trage und einen klassischen Pullunder, dann fühlt es sich nicht so an, als ob ich im Jahr 2025 lebe. Ich mag’s, wenn ich mich dadurch ein bissl wegbeamen kann.

Widert dich die heutige Zeit an?

Ehrlich gesagt ist sie mir relativ wurscht. Ich lese keine Nachrichten und schau mir auch keine Nachrichtensendungen an. Ich lass mich dadurch also null beeinflussen und lebe mein Leben. Ich glaube, dass ich dadurch auch so ein fröhlicher Mensch bin, weil ich mich nicht andauernd von äußeren Einflüssen niedermachen lasse, die ich ohnehin nicht ändern kann. Was ich beeinflussen kann, sind mein Leben und mein Umfeld. Oder zumindest kann ich versuchen, so darauf einzuwirken, wie es für mich passt. Und die heutige Zeit ... die wird schon auch sehr schlimm gemacht. Alles wird irgendwie aufgebauscht. Früher gab es auch schon Katastrophen, Wahnsinnige, Mord und Totschlag. Aber heute wird jedem Angst damit gemacht. Da bin ich lieber in den 60ern, 70ern und 80ern unterwegs und mach es mir schön. Ich lebe zwar heute, bin aber lieber dort.

Das, was sich früher nicht alle leisten konnten, können sich heute auch nicht alle leisten: eine goldene Audemars Piguet um 22.500 Euro zum Beispiel.

Kann nicht jeder, das stimmt. Es gibt aber Leute, die eine Uhr um 60.000 Euro tragen, die sie sich auch nicht leisten können. Sie glauben, es handelt sich um eine Wertanlage. Da frage ich mich genauso, wie sie sich das leisten können. Viele tun alles dafür, um sich das leisten zu können, wovon alle gerade reden. In Wirklichkeit sind die ganzen Preise der neuen Uhrenmodelle schon längst wieder unten, was die breite Masse halt einfach noch nicht weiß. Oder schau dir die Leute an, die in den teuersten Restaurants sitzen oder die teuersten Urlaube machen. Woher kommt da das Geld? Entweder ist es auf Pump finanziert oder das letzte Geld ist gerade noch so zusammengekratzt worden. Da finde ich es viel schöner, wenn man sich etwas Altes kauft, was einen glücklich macht und wo man nicht nur an eine Wertanlage denkt. »Old money style« ist für mich damit eigentlich nur ein Wortwitz. Ein Klischee, mit dem ich spiele und womit ich mich immer wieder neu erfinde.

Wer ist denn der tatsächliche Franziskus Kriegs-Au?

Ich bin jedenfalls kein Spinner. Ich mache das alles zur Selbstbelustigung. Ansonsten bin ich einfach nur ein lieber Kerl und Familienvater, der das macht, was ihm Spaß macht, und nicht auf andere hört. Die Uhr, die ich gerade trage, finde ich so lustig, dass ich mich damit gerne im Spiegel anschaue und einfach pose. (lacht) Nach einer Woche taugt sie mir schon nicht mehr, und es ist gut, dass ich sie weiterverkaufe und mich an einem anderen Stück erfreue. Wenn ich dann nach einem Jahr wieder mal so eine bekomme, freue ich mich wieder darüber und hab Spaß damit.
Mit goldener Audemars Piguet Royal Oak: Juwelier Franziskus Kriegs-Au

Der Normalbürger hätte wahrscheinlich Angst, Kratzer reinzumachen, und würde sie vielleicht nicht tragen, sondern in den Safe legen. Du hingegen trägst sie, posierst damit und verkaufst sie weiter.

Deswegen habe ich gerne Uhren, die schon zerkratzt sind. Wenn ich ganz neue Uhren bekomme, dann trage ich sie nicht. Es gibt Safe-Uhren aus den 80ern – im Englischen sagt man »new old stock« dazu –, die nie jemand am Handgelenk hatte. Solche würde ich niemals tragen, wenn ich sie weiterverkaufe. Ich sage meinen Kunden auch immer, dass sie nie Kratzer rauspolieren sollen, da es ein abtragendes Verfahren ist. Mit der Zeit hast du die Kanten und Rundungen nicht mehr dort, wo sie im Originalzustand waren. Damit schaut sie nicht mehr so aus, wie sie mal ausgesehen hat. Für Sammler wird sie damit uninteressant.

Bei welchen Uhren, Schmuckstücken, Juwelen oder Antiquitäten hast du dich schon verschätzt?

Schwer zu sagen. Als der Hype bei den Uhren war, habe ich mich bei einer Audemars Piguet verschätzt, die ich dann gerade so mit Ach und Krach weiterverkaufen konnte. Die Preise gingen hoch, dann war gerade die Spitze erreicht und es ging wieder runter. Es ist aber auch schon vorgekommen, dass ich Sachen angekauft habe, von denen ich dachte, dass die gar nicht so toll sind. Bei mehrfacher Betrachtung sind sie immer schöner und besser geworden. Gerade in der Anfangszeit, als ich das Geld schneller brauchte, hab ich rascher wieder verkauft und manche Stücke an Händler verschleudert. Aber: Ich trauer den Dingen nicht nach. Es ist, wie es ist. Dann kommt halt wieder was Neues.

Wie liquide muss man sein, um mehrere Vitrinen über mehrere Standorte vollzubekommen?

Im Vergleich zu anderen Juwelieren möchte ich meine Vitrinen gar nicht voll haben. Erstens ist es ein Sicherheitsfaktor und zweitens ist das Gassenauslagengeschäft tot. Außerdem wäre die Ware damit auch viel zu lange blockiert. In Linz haben wir überhaupt nichts in der Vitrine außer ein paar Merchandising-Produkte wie meine Hügler-Kappen und vielleicht noch einen Silberteller. Dort geht es mir rein um den Ankauf. Verkauft wird bei mir alles online, über Instagram zum Beispiel. Oder auch an Händler. In Wien habe ich ein paar Stücke in der Auslage, weil es gut rennt und ich nicht den Druck habe, dort ständig verkaufen zu müssen. Wenn ich Schmuck um 15.000 Euro ankaufe, wird das meiste davon gleich wieder um 15.000 Euro verkauft. Wenn vom selben Ankauf ein paar Ringe überbleiben, habe ich keinen Stress, wenn die länger liegen und ich sie in Ruhe weiterverkaufen kann. Der Großteil des Geldes muss also schnell zurückkommen und mit dem Rest füllen wir die Auslage. Oft schmelzen wir auch ein, nehmen die Steine raus und machen damit etwas Neues. Manches wird auch über Auktionshäuser versteigert. Wir bleiben damit auf keiner Ware sitzen und drehen alles sehr schnell weiter. Es gibt Juweliere, die kaufen einen Ring um 3.000 Euro an und wollen ihn um 10.000 Euro weiterverkaufen. Der liegt lange. Ich verkaufe ihn um 3.500 weiter.
»Es kommt vor, dass ich 150.000 Euro sofort überweisen muss«

Wie viel Geld muss man zur Verfügung haben, um dieses Spiel aus Ankauf und Verkauf spielen zu können?

Es kommt vor, dass ich 150.000 Euro sofort überweisen muss. Das kommt ehrlicherweise nicht oft vor. Letzte Woche haben wir Schmuck und Uhren um 130.000 Euro angekauft. Wenn das so für ein paar Wochen weitergeht, würde es durchaus stressig werden. Daher will ich immer rasch weiterverkaufen. Ich möchte kein totes Kapital, was einfach nur herumliegt. Viele glauben, dass ich meine Ware verschleudere, dem ist aber nicht so. Ich drehe das Geld einfach schnell weiter. In der Zeit, wo andere höhere Preise verlangen und mehr Zeit brauchen, drehe ich dasselbe Geld zehnmal. Damit verdiene ich unterm Strich viel mehr. Es bedeutet mehr Stress, bringt aber auch mehr Kundschaft. Im Grunde kommen ständig neue Kunden dazu, weil es sich rumspricht, dass ich ein anderes System fahre als andere Juweliere. Irgendwem was reindrücken, nur weil es schon lange herumliegt, brauch ich nicht. Weitergedacht: Nehmen wir an, derselbe Kunde will den Schmuck in ein paar Jahren wieder über mich verkaufen. Wenn ich ihm die Sachen zu teuer verkauft habe, könnte ich ihn dann nur wegschicken, weil der Schmuck das nicht wert ist. Da würde ich ja mein Gesicht verlieren.

Was würde dein Ururgroßvater sagen, wenn er wüsste, dass der Ururenkel im Fernsehen auftritt – einem Medium, das es zu seiner Zeit noch gar nicht gab – und wie sich sein Geschäft über mehrere Standorte entwickelt hat mit dem System, das du gerade erläutert hast?

Wenn er die Zeit, in der wir heute leben, verstehen würde, wäre er, glaube ich, sehr stolz auf mich. Er würde sehen, dass ich aus einer Nische das Bestmögliche mache und unser Name dadurch wieder bekannt geworden ist. Das war mir persönlich wichtig. Unsere Firma ist im Jahr 2004 krachen gegangen und war in Konkurs. Ich habe zu der Zeit gerade die Ausbildung zum Goldschmied gemacht und war ehrlicherweise ziemlich lost. Als junger Mensch musste ich erst mal meinen Weg finden. Ich war ein schlechter Schüler und wollte nicht studieren. Dank meiner Mutter habe ich die Abendmatura und die Ausbildung zum Gold- und Silberschmiedmeister gemacht. Auch zum Diamantgutachter habe ich mich ausbilden lassen und ich wurde dann Schätzmeister beim Dorotheum. Ich habe immer gearbeitet, weil ich zum Studieren zu deppat war. Probiert habe ich es, habe aber total versagt. Außer PS bei Autos kann ich mir nichts merken. Während alle anderen studiert haben, habe ich gehackelt und Türklinken geputzt. Ich war mir für nix zu schade.
Im Interview: Juwelier Franziskus Kriegs-Au

Hast du damals gedacht, vielleicht aufs falsche Pferd gesetzt zu haben? Es muss schwer sein, eine Ausbildung in dem Bereich zu starten, in dem das Familienunternehmen zur selben Zeit insolvent ist.

Das war extrem unangenehm. Was ich dazu sagen muss: Ich habe die Ausbildung damals nur begonnen, weil ich als Schüler durchgefallen bin und die Schule gewechselt habe. Irgendwie war damals eigentlich schon Endstation für mich. Ich hatte nur Blödsinn und Flausen im Schädel. Ich hab mir einfach nix gedacht und wollte nicht lernen.

Hat aber funktioniert.

Gott sei Dank! Hätte auch in eine andere Richtung gehen können.

Die goldene AP wäre vielleicht trotzdem aufs Handgelenk gekommen. Halt über andere, zwielichtigere Geschäfte.

(lacht) Was weiß man!

Bleiben wir gleich beim Thema: Alle paar Jahre werden Juweliergeschäfte in der Wiener Innenstadt überfallen oder aufgebrochen. Wie geht’s dir damit, wenn es wieder so weit ist und einem Kollegen mit dem Auto in die Auslage gefahren oder er mit der Waffe bedroht wird?

Überfallen zu werden ist sicher nicht lustig. Brauch ich auch nicht. Aber Angst habe ich auch keine. Überhaupt nicht. Erstens sind wir etwas abseits vom Schuss. Zweitens bedienen wir mit Vintage-Sachen eher eine Nische. Drittens ist meine Auslage nicht voll. Viertens: Ich bin nicht omnipräsent wie andere Juweliere, die zum Teil Werbung im Flugzeug schalten. Passt eh, aber bei denen fährt man dann halt in die Auslage rein, weil es dort alles zu holen gibt. Meine Ware können die in der Regel nicht so schnell weiterverkaufen. Gefeit sind wir natürlich nicht davor, aber für den Fall sind wir versichert. Wenn ich dauernd Angst hätte, dürfte ich nicht das machen, was ich mache.

Über die Fernsehsendung, aber auch über Social Media exponierst du dich. Hast du keine Bedenken, dass du direkt das Objekt der Begierde werden könntest und Lösegeld nach einer Entführung verlangt wird? Wenn nicht du, vielleicht jemand aus deiner Familie.

Na ja ... also ... ich bin ja kein Superbonze. Zu Hause bei mir liegt nix rum, was es groß zu holen gäbe. Und meine Familie poste ich nicht auf Social Media. Wenn mir jemand etwas Böses will, wird man es schaffen – ob ich nun im Fernsehen und auf Social Media exponiert bin oder nicht. Natürlich biete ich damit mehr Angriffsfläche, aber prinzipiell glaube ich ans Gute. Manche Dinge kann man nicht verhindern. Wenn sie passieren, dann passieren sie. Da sind wir wieder bei der Angstmache von vorher. Ich befasse mich damit gar nicht, weil es übertrieben ist. Wenn ich mich davon beeinflussen lasse, dann würde ich die Sachen nicht machen, so wie ich sie mache, wie sie aber für mich funktionieren.
Im Gespräch mit Juwelier Franziskus Kriegs-Au

Gibt es irgendein Vintage-Schmuckstück oder eine Vintage-Uhr, die du gerne mal hättest, aber bisher noch nicht hattest?

Ganz ehrlich? Ich hatte schon alles. Was ich sehr geil finde: schöne kolumbianische Smaragde in Topqualität. Das ist wirklich etwas total Seltenes. So etwas lässt sich immer gut verkaufen. Auf der ganzen Welt gibt es dafür Händler und Sammler. Damit kannst du, egal wie die Zeiten gerade sind, immer Geld machen. Diamanten hingegen werden künstlich verknappt. Und nicht mal das stimmt. Geh mal durch die Stadt und schau in die Auslagen, was da alles herumliegt. Die Preise sind alle total aufgebauscht. Für feine Farbsteine, auch Turmaline, gibt es einen spannenden Markt, wenn die Qualität top ist. Es handelt sich um etwas Rares. Bei Uhren verhält es sich genauso. Rares geht gut. Und wenn es gerade nicht gut geht, weil es nicht angesagt ist, lass ich’s halt liegen. Bei raren Dingen gibt es irgendwo immer irgendjemanden, der sie haben möchte. Wenn du ein gutes Netzwerk hast, hast du immer jemanden, dem du sie anbieten kannst. Manchmal kann es dauern, was aber nichts macht, weil ich weiß, ich bin einer von zehn Menschen auf der Welt, die das anbieten können. Ich habe ein paar seltene Omegas, von denen ich weiß, dass es weltweit nur 100 Stück gibt. So etwas drehe ich dann nicht schnell, weil diese Ware nur die wenigsten verstehen.

Du hast gerade über künstliche Verknappung gesprochen. Viele sagen das auch über Rolex. Ist Rolex aus deiner Sicht überschätzt und überteuert?

Ich finde es komplett absurd. Das sage ich auch meinen Kunden. Wenn ich eine ankaufe und jemand will sie, bekommt er sie. Ich persönlich brauche sie nicht. 10.000 Euro für eine Uhr, die massenhaft produziert wird, ist extrem viel Geld. Das muss man erst einmal haben oder sich zusammenkratzen. Eine Rolex Submariner ist eine supersolide Uhr, aber ich sehe nicht den Wert von 10.000 Euro. Der Markt gibt es aktuell her, was sich aber auch ändern kann. Materialwert hast du bei einer Stahluhr keinen. Ich habe schon viel kommen und gehen gesehen. Als ich 2004 im Dorotheum gearbeitet habe, wollte niemand eine Cartier. Das war total 80er.

Aktuell hat Cartier wieder einen Höhenflug.

Stimmt, jetzt will jeder eine Cartier. Morgen dann wieder eine Rolex. Übermorgen soll sie groß sein, den Tag darauf wieder klein. Das ändert sich ständig. Ich persönlich gehe nicht mit Hypes. Ich kaufe an und will es schnell wieder weghaben.

Und dennoch ist Rolex seit Jahrzehnten solide aufgestellt.

Das kann diese Marke, das stimmt schon. Die haben ja auch geile Modelle. Eine goldene Day-Date mit einem schönen Zifferblatt aus den 80ern ist ein richtig geiler Pornowecker. Sportmodelle mit gut gealterten Zifferblättern sind auch super, weil die wieder selten sind. Sich aber bei einem Juwelier für eine Stahl-Submariner auf die Liste setzen zu lassen, nur damit man davor ein paar Tudors kaufen darf, bevor man die Rolex bekommt ... geh bitte. Da hättest du dir die Submariner gleich teurer gebraucht kaufen können. Ich finde es total absurd. Manche Juweliere sagen ganz offen, dass der Mann erst mal ein Diamanten-Collier für seine Frau kaufen soll, weil die Chancen dann besser stehen, dass er seine Rolex schneller bekommt.

Eigentlich schon mafiös.

Scheiß aufs Collier und kauf dir die Uhr dafür dreimal am Second-Hand-Markt! Juweliere sollten eigentlich Vertrauenspersonen sein. Viele nutzen diese Position schamlos aus.

Sie sind die Gatekeeper.

Die Leute kaufen sich lieber ein teures Schmuckstück, als ihr Geld zur Bank zu tragen, weil sie denen misstrauen. Dass sie bei vielen Schmuckstücken aber sofort 80 Prozent verlieren, merken sie gar nicht, weil der Juwelier sich hinstellt und davon redet, dass es sich um eine Wertanlage handelt. Aktuell funktioniert das Spiel. Ich möchte aber keine Kunden haben, die irgendwann zu mir kommen und mich fragen, warum ich ihnen etwas eingeredet habe.
»Die Masse will verarscht werden«

Wenn meine Recherche stimmt, bist du seit zehn Jahren verheiratet. Meine nächste Frage wäre bei anderen Interviewpartnern indiskret. Bei dir hingegen ist sie aufgelegt und eigentlich ein Muss, sie zu fragen. Wie hast du dich für welchen Verlobungsring entschieden?

Es ist ein schöner alter Ring mit einem unbehandelten Saphir-Cabochon meiner Urgroßmutter aus dem Jahr 1880. Meine Frau mag süße kleine Sachen und keinen überladenen Schmuck. Gegeben habe ich ihr den Ring in einer kleinen Nussschale in Bad Gastein, weil wir die Eichkatzerl so gerne gefüttert haben. Ich finde es immer so lustig, wenn Männer kommen und meinen, ihre Frau hat genaue Vorstellungen, wie der Ring zu sein hat, nämlich mit mindestens 1,5 Karat. Manchmal würde ich dann schon gerne fragen, ob sie glauben, dass sie die Richtige gefunden haben. Ich mein, wo sind wir denn, dass man sich den Verlobungsring aussucht? Darum geht es doch gar nicht! Es geht darum, dass der Mann den Schritt überhaupt macht. Manche kommen auch mit Schmuckstücken, die sie zurückgeben wollen, weil es der Frau nicht gefallen hat. Okay, dann nehme ich es halt zurück, aber ganz ehrlich: Wenn du dich dazu entschieden hast, etwas zu schenken, dann steh dazu und sei ein Mann!

Ein Geschenk ist nicht selbstverständlich. Man denkt sich etwas dabei und will Freude machen.

Es ist total absurd. Was soll so etwas?!

Eine ehemalige Kollegin meinte zu ihrem Mann, sie sei ein Cartier-Girl.

Schwierig. Ich hab nichts gegen Cartier. Die haben echt geile Stücke und vor über 100 Jahren echt gute Sachen gemacht. Mittlerweile ist es eine riesige Marketing-Maschinerie. Warum? Weil sich die Leute ja nicht das Einzelstück um 100.000 Euro kaufen, sondern einen Trinity-Ring um knapp 1.500 Euro, einfach weil sie dabei sein wollen. In der Herstellung kostet er wahrscheinlich nicht mehr als 200 bis 300 Euro. Die Preise müssen regelmäßig steigen, damit es irgendwie wieder passt, wenn du ihn wieder verkaufen möchtest. Also eigentlich wird die Masse verarscht. Aber will sie ja auch.

Die Masse will verarscht werden.

Ja, die wollen das Markensackerl unterm Weihnachtsbaum haben. Für mich kommt das nicht in Frage. Da würde ich mir blöd vorkommen.

Wird es einen Gegentrend geben? Handgemachte Schmuckstücke, bei denen man nicht sofort den Wert googeln kann, weil man nicht den Markenvergleich hat.

Diesen Trend gibt es schon. Vergleichen kannst du es schwerer, aber wenn die Qualität passt und es gut verarbeitet wurde, sieht man es. Das liebe ich! Ein Ring mit Edelsteinen vom Goldschmied um 1.900 ist vielleicht nicht ganz rund, aber genial verarbeitet. Der kostet mich im Ankauf 500 Euro. Aber was kaufen sich die Leute? Ein Love Bracelet um 5.000 Euro, und sie glauben, dass es das jetzt ist. Wir bedienen zum Glück eine Nische mit Kunden, die den Unterschied verstehen. Es geht um Qualität und Preis-Leistung.

Fairerweise muss man sagen, dass Marken dadurch entstanden sind, um ein Qualitätsmerkmal zu sein. In der heutigen Zeit wird es bis zum Exzess getrieben und maximal ausgereizt.

Ganz genau. Eigentlich kommen sie von der Qualitätsecke. Melken tun sie trotzdem und das funktioniert halt ein bissl anders. Passt auch, am Ende geht es ums Geld. Den Firmen kann man das nicht vorwerfen. Den Menschen muss man vorwerfen, dass sie eins und eins nicht zusammenzählen können. Auf der anderen Seite finde ich es wieder schön, weil ich damit irgendwie ein Außenseiter bin, was ich mag. Die Masse interessiert mich nicht, und die, die das genauso sehen, finden sich dann sowieso. Ist bei dir doch auch so, oder?

Mein Mantel ist aus deutschen Militärrucksäcken upgecycelt. Viele finden ihn total schrecklich, ich mag ihn. Man sieht nicht mal, dass er maßgeschneidert ist. Er ist robust, wodurch du ganz anders mit ihm auftrittst. Die großen Taschen sind praktisch. In Wirklichkeit geht es darum, sich wohlzufühlen. Das tu ich in zerrissenen Baggy Trousers genauso wie im Designersakko. Die Mischung macht’s. Aktuell trage ich Vollbart, manchmal bin ich glattrasiert. Wie man es macht: Die einen finden es gut, die anderen nicht.

Ich find den Mantel geil! Und beim Bart mag man halt manchmal den Schnauzer und die Woche darauf ist er wieder weg. Sehe ich genauso! Man macht das alles für sich selbst und nicht für andere.

Ist beim Humor nicht anders. Ich bin mal gefragt worden, ob ich meine Sprüche und Witze eigentlich lustig finde, denn jemand hat sich daran gestoßen und konnte nicht darüber lachen. Ich meinte daraufhin, dass ich den Witz für mich gemacht habe. Jeder kann gerne mitlachen. Und wenn nicht, kann man sich umdrehen und gehen.

Genau darum geht es. Wenn ich den Kasperl reiße, mache ich das nur, damit mir nicht langweilig ist.

Purer Egoismus. Alles andere: on top for free!

(lacht) Geschenkt, vollkommen richtig! Dazu muss man stehen. Man braucht dazu die Reife und das Selbstbewusstsein. Als junger Mensch weiß man das, ist gleichzeitig aber total unsicher.

Wenn man es durchzieht, hat man nicht nur Charakter, sondern ist auch einer.

Absolut. Eigentlich haben wir beide es geschafft.

Eigentlich können wir das Gespräch jetzt beenden.

Sehe ich genauso.

Lieblings-

Buch: Das Parfum (Patrick Süskind)
Film: The Business
Song: Everywhere (Fleetwood Mac)
Schauspieler/in: Frederick Lau, Brigitte Kren
Motto: Leben und leben lassen.
Autor/in: Ferdinand Raimund
Serie: Crooks
Stadt: Bad Gastein
Land: Österreich
Gericht: Kalbsschnitzel mit Kartoffelsalat
Getränk: Cola mit Eis und Zitrone

Persönliches Mitbringsel

Mein Schal. Auch im Sommer trage ich meistens einen. Manche meinen, dass es mein Markenzeichen sei. In Wirklichkeit habe ich mich früher schnell verkühlt und hatte oft Halsschmerzen. Meine Mutter meinte dann immer, ich soll einen Schal tragen. Das sage ich jetzt übrigens auch immer meinen Kindern, was meine Frau dann jedes Mal wundert. Ich hasse es, verkühlt zu sein, und durch den Schal bin ich’s nicht. Außerdem ist der Schal ein nettes Accessoire.

Schönstes und negativstes Erlebnis der vergangenen Woche

Schönstes: Mein Sohn hat sich eine Schultasche ausgesucht und hat sie mir ur stolz gezeigt. Das war total süß und hat mich gefreut.
Negativstes: Ich habe in Thailand zu scharf gegessen und war auf der Suche nach einem Klo mitten in Bangkok.

Berufswunsch als Kind

Rallyefahrer

Wen wolltest du immer schon einmal treffen?

David Hasselhoff

Teenie-Schwarm

Mein Idol war David Hasselhoff wegen Knight Rider. Falco fand ich auch ziemlich cool. Als Teenie war’s dann Britney Spears.

Café-Bestellung

Cola, Schinkenrolle, Orangensaft

Ort des Interviews

Café Bräunerhof
Der Bräunerhof in der Stallburggasse im 1. Bezirk hat erstmals 1920 – damals als Tanzlokal mit dem Namen »Sans Souci« – seine Pforten geöffnet, womit er zu den klassischen Alt-Wiener Kaffeehäusern zählt. Zu den bekanntesten Gästen zählte Schriftsteller Thomas Bernhard, der den Bräunerhof als sein Stammcafé auserkoren hat. So soll er einmal gesagt haben: »Ich habe es täglich aufgesucht, obwohl ich es immer gehasst habe, denn ich habe an der Kaffeehausaufsuchkrankheit gelitten, die unheilbarste aller meiner Krankheiten.« Wienerischer kann man die Sucht nach der flüssigen Schale Gold in entspanntem Ambiente wahrscheinlich nicht beschreiben – grantig und doch leidenschaftlich. Apropos Gold: Wer vorm oder nach dem Kaffee noch Zeit hat, der kann Franziskus Kriegs-Au einen Besuch in seinem Geschäft abstatten, das nur ein paar Meter weiter zu finden ist.